Malefizkrott
viele Leute das Buch mit dem eigenen Namen darauf die Krönung ihrer Egokarriere ist.«
Wir verblieben dann so, dass Rudolf in Ruhe abwarten werde, was Matthias Kern zu Papier bringen würde. Einstweilen werde er ein wenig recherchieren, was es mit dem Brand in Ludwigsburg auf sich hatte, und gegebenenfalls ein paar Zeilen schreiben. »Ich kann den Vater nicht ignorieren. Und wenn es nächste Woche im Spiegel oder Focus steht, dann ist mein Chef nicht erfreut.« Sei nem Fünfzeiler am folgenden Tag hatte ich entnommen, dass die Brandsachverständigen einen defekten Ventilator als Brandursache ausgemacht hatten.
»Was ist eigentlich mit Richard los?«, fragte Sally.
»Er ist in heikler interner Mission in Mannheim. Irgendwas mit einem jungen Staatsanwalt, der sich da in was verrannt hat.«
»Das meine ich nicht, Lisa. Er ist irgendwie neben der Spur, findest du nicht? Hat er die Kleine eigentlich inzwischen mal besucht?«
»Ich glaube nicht.«
»Wieso weißt du das nicht? Redet ihr nicht darüber?«
»Er redet nicht darüber.«
Sally lachte. »Und du bist natürlich wieder mal viel zu cool, um dich damit zu beschäftigen. Aber weißt du, Li sa, jeder lebt sein Leben, das ist ja schön und gut. Allerdings machst du es dir ganz schön bequem.«
»Wieso ist es verboten, es sich bequem zu machen?«
»Vielleicht wartet er darauf, dass du ihn aus seinem Schneckenhaus holst. Männer reden nicht von allein über ihre Gefühle.«
»Ich auch nicht.«
»Es geht ja auch ausnahmsweise mal nicht um deine, Lisa. Es geht gar nicht um dich und wie du dich und dei ne Beziehung zu Richard siehst. Es geht darum, dass er unglücklich ist. Ich bin absolut sicher, dass die Mutter nichts dagegen hätte, wenn er die Kleine besucht. Ich denke, sie wartet sogar darauf. So einen Ersatzgroßvater wie Richard kann man sich doch als junge Mutter nur wünschen. Er muss sich endlich einen Ruck geben, Lisa!«
Ich lachte. »Wie du das sagst, klingt es aber nach Unbequemlichkeit und Opfer, nicht nach Glück.«
»Musst du immer jedes Wort auf die Goldwaage legen, Lisa?«
Am Sonntagabend kehrte ich nach Stuttgart zurück. Ci pión hatte ich bei Sally und Senta in Münsingen gelassen, denn die nächsten Tage war ich beschäftigt. Während der Fußball tobte, verbrachte ich zahllose Stunden damit, das Filmmaterial aus der Buchhandlung in Ludwigsburg zu sichten und von allen Personen ein oder zwei Fotos auszuschneiden, auf dem kleinen Überwachungslaptop und einem USB-Stick zu speichern und zusätzlich noch auszudrucken. Ich stellte auch ein Album mit Frauen zusammen, eingedenk der Bemerkung des Fallanalytikers Finkbeiner: »Einen gravierenden Mangel hat Ihre These schon, Frau Nerz. Warum kommt als Tä ter keine Frau infrage?« Die Antwort darauf hatte Meisner allerdings bereits bei unserer informellen Besprechung gegeben. Die tote Taube hatte der Buchhasser geworfen, weil er in den Frauenbuchladen nicht hineingekommen war.
Mit meinen Alben klapperte ich die Buchhandlungen von Karin Beckers Feuerliste ab. Man stelle sich das nicht vor als hinfahren, eintreten und »Erkennen Sie irgendeinen wieder auf diesen Fotos« fragen, sich bedanken und weiterfahren. Leute befragen ist ein zeitraubendes Geschäft. In der Bücherei in Lonsee war die Bibliothekarin mitteilsam, wenn sie auch nicht verstand, warum sie sich Fotos anschauen sollte, wenn doch bei ihnen eine defekte Kaffeemaschine für den Brand verantwortlich gewesen war und keinesfalls ein Brandstifter. In Nürtingen war der Inhaber verreist und die Praktikantin nicht mehr da, die den Brand miterlebt hatte. Es sei ja auch nicht viel Schaden entstanden. Die beiden Inhaber vom Buchladen Die ZeitGenossen in Esslingen wurden blass bei der bloßen Erinnerung an die Katastrophe. Der ganze Laden hatte komplett renoviert werden müssen, denn das Feuer war erst nach Ladenschluss ausgebrochen, und es hatte schon lichterloh gebrannt, als die Feuerwehr eintraf. Dann habe die Versicherung Schwierigkeiten gemacht, weil nicht erwiesen gewesen sei, dass nicht einer von ihnen das Feuer selbst gelegt habe. Aber warum hätten sie das tun sollen, der Laden sei gut gelaufen. Das habe die Versicherung letztlich eingesehen, auch weil die Brandsachverständigen nicht abschließend hätten klären können, ob tatsächlich eine unbekannte Chemikalie ursächlich für das Feuer gewesen sei und nicht ein defektes Telefonkabel.
Ich zeigte der rothaarigen Frau und dem bärtigen Mann die Fotos von den rund dreißig
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