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Malefizkrott

Malefizkrott

Titel: Malefizkrott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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unmittelbarer Nähe befindliches Papier entzünden könne. Ich glaube, so hat er sich ausgedrückt.«
    »Hat an dem Tag ein Fremder Ihre Toilette benutzt?«, fragte ich.
    »Interessant, dass Sie das fragen. Ich habe nach dem ersten Schrecken darüber nachgedacht, was um alles in der Welt mich dazu veranlasst haben sollte, den Aschenbecher, der auf dem Waschbeckenrand stand, runterzustellen. Außerdem mache ich den Wasserhahn gewöhnlich zu. Und dann ist mir eingefallen, dass kurz vor La denschluss noch ein Kunde kam, etliche Bücher anschau te, dann aber doch nur ein Buchzeichen für ein paar Euro kaufte und fragte, ob er meine Toilette benutzen dürfe. Als er ging, habe ich gleich zugesperrt.«
    »Wissen Sie noch, was das für ein Typ war, wie er ausgesehen hat?«
    »Ich würde ihn nicht wiederkennen, falls Sie das meinen. Es ist ja schon über ein halbes Jahr her, und ich habe ihn mir nicht extra angeschaut. Ich erinnere mich an ein Gefühl des Unbehagens, er war mir unsympathisch, es hat mich geärgert, dass er so herumtrödelt, um dann kei ne drei Euro für eine Belanglosigkeit auszugeben. Das Bild von einem ziemlich massigen Mann mittleren Alters in einem dicken alten bräunlichen Parka ist mir noch im Auge. Er hatte eine Mütze auf, so eine Russenkappe mit Fell an den Ohrenklappen.«
    Der Klogänger hätte gut die Zinkpulvermischung in den Aschenbecher streuen und ihn unter das Becken stellen, den Waschbeckenabfluss mit dem Reinigungstuch verstopfen, den Wasserhahn etwas aufdrehen können. Ob es funktioniert hatte, würde er anderntags der Zeitung entnehmen.
    Ich bedankte mich, schlenderte an der Zehntscheuer und dem Schloss von Balingen vorbei, wo Richard einst die halbe Sammlung historischer Waagen zerschlagen hatte {20} , zurück zur Friedrichstraße. Charlotte hatte mit ihrem unschuldigen Augenaufschlags wieder mal einen Strafzettel eingeheimst.
    Auf halber Strecke nach Stuttgart winkten die Schilder ins Zentrum von Tübingen. Noch immer schuldete ich Manuela Kantor einen Besuch. Jetzt war die Gelegenheit, auch wenn ich keine weiterführenden Erkenntnisse erwartete. Das Buch hatte ich derzeit immer dabei.

 
     
23
     
    Der Kaffee war lecker, der Laden leer, wir setzten uns raus zum glühenden Kopfsteinpflaster der Bursagasse.
    »Ich habe meinen Onkel gefragt, ob er sich an die Kü fers erinnert«, erzählte sie. »Ich wollte Sie gleich anrufen, hatte aber Ihre Nummer nicht. Doch Facebook macht’s möglich. Ich habe Ihnen eine Nachricht geschickt.«
    Ich zog mein Handy und rief meine Mails ab. Darunter befand sich auch die Benachrichtigung von Facebook. »Stimmt.«
    »Viel ist es allerdings nicht, was mein Onkel wusste. ›Die sind alle tot‹, hat er gesagt. Maries Vater, Hermann Küfer, ist vor fast zwanzig Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, die Mutter starb, offenbar dement, einige Jahre später in einem Altersheim. Was aus den Kindern geworden ist, konnte er nicht sagen. Dann fiel ihm aber noch ein, dass der Sohn ein Aussteiger gewesen sei und in den Achtzigern zu den Spinnern gehört habe, er habe einen der ersten Biohöfe im Schwarzwald oder im Oberschwäbischen aufgebaut.«
    »Und die Tochter, Marie?«
    Manu schüttelte den Kopf. »Nix. Und das ist also das Buch. Darf ich?« Sie nahm es sich. »Hui, was ist das denn? Ein Einschussloch? Wie ist das denn passiert?«
    Ich zuckte mit den Achseln.
    »Und diese Texte sind ja wirklich kurios. Aber sachkundig eingebunden, eine ganz schöne Fitzelarbeit, wenn man bedenkt, dass man Ende der sechziger Jahre keine Kopiergeräte hatte. Schauen Sie, er hat mit kleinen Papierbrücken gearbeitet. Und die Fäden … Moment …« Sie stand auf, holte eine Lupe und musterte die Fäden, die jeweils vier Blatt zu einer Lage von acht Blättern und sechzehn Seiten zusammenfassten. Sie lachte. »Das ist zwar unter sachkundiger Anleitung, aber nicht vom alten Meister Küfer gemacht worden. Die Fäden sind zu lo cker, und hier stimmt was nicht. Nach dem Nähen und Leimen ist das Buch professionell beschnitten worden. Buchbinder haben Maschinen dafür, und dann ist der Schnitt ockergelb abgezogen worden. Gut gemacht.«
    »Nicht vom alten Küfer, aber in seiner Werkstatt.«
    Sie nickte. »Schauen Sie sich die Texte an. Sie sind auf einer alten Erika getippt worden. So eine hatte der alte Küfer hinten in seinem Büro stehen. Und wenn ich mich recht erinnere, hatte das große S einen leichten Schlag nach rechts, so wie hier, sehen Sie das?«
    Ich beugte mich vor,

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