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Malenka

Malenka

Titel: Malenka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Korschunow
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der sich trotz Fraternisierungsverbot sogleich eine Freundin zugelegt hatte und abends abwesend war, so daß die drei Herren unter sich bleiben konnten, gegebenenfalls jeder in einem anderen Salon.
    Die fünfzehn unteren Dienstgrade, die das Ganze bewachen, eventuell sogar verteidigen sollten, im übrigen den Wagenpark instand hielten, Büroarbeiten verrichteten, die Offiziere bedienten und auch die beiden Köche stellten, bewohnten dagegen ziemlich gedrängt den weitaus weniger prächtigen zweiten Stock, während die Büros sich parterre befanden: die der Offiziere in den ehemaligen, um die Halle herum gruppierten Gesellschaftsräumen, Stanley Schofields Registratur im nunmehr kahlen Wintergarten und daneben, durch eine provisorische Sperrholzwand getrennt, der ebenfalls seiner Aufsicht unterstellte Typing Pool, wo außer dem Soldaten Donald Black, Blacky genannt, noch die beiden Ungarinnen Ildiko und Eva versuchten, im Zweifingersystem die Korrespondenz zu bewältigen.
    Ildiko und Eva gehörten wie Margot zu den Zivilangestellten, elf an der Zahl und allesamt oben im dritten Stock einquartiert, schräge Dienstbotenkammern, aber durch Inventar aus den leerstehenden unteren Räumen aufgeputzt. Zwei zierliche Sessel mit Petit-point-Stickerei und vergoldeten Gestellen samt passendem Tischchen etwa für Margots Turmzimmer, hübsch anzusehen vor dem runden Fenster zum Park, dazu der türkische Teppich und als Bettüberwurf ein Stück von der kostbaren roten Brokatportiere, die dem Umbau im Hallenbereich zum Opfer gefallen war. Außerdem stand den Zivilisten noch ein Aufenthalts- und Eßraum im Souterrain zur Verfügung. Er lag gleich neben der Personalküche, wo Frau Kükü, eine zyprische Türkin, deren unaussprechlichen Namen man zu dieser Kurzform reduziert hatte, die Rationen in Gerichte ihrer Heimat verwandelte, neutrale Kost gewissermaßen für die dort unten versammelten vielfältigen Nationalitäten.
    Sir Williams »handselected staff«. »Gute Leute«, sagte er, wenn die Rede darauf kam, »quite excellent«, in einem Tonfall, als spräche er zu Hause in Sussex vom Butler oder der guten alten Nanny, und möglich sogar, daß er sich bei seiner Vorliebe für Scheinwelten hinter der Iffenhausener Realität eine Art illusionären englischen Landsitz geschaffen hatte, angeregt auch von der Architektur des Schlößchens. Herr Baranow jedenfalls äußerte diesen Verdacht, besonders, nachdem er zum Senior der Angestellten ernannt worden war, Ob- und Vertrauensmann im Basement, über den fortan alle Kontakte zum Hausherrn laufen sollten.
    »Butler. Ich bin der Butler«, sagte er zu Margot, »passen Sie auf, demnächst macht er mich für das Silber verantwortlich«, und seinen Kollegen gab er zu verstehen, daß er keineswegs die Absicht hege, ein Auge auf sie zu haben, weder dienstlich noch privat.
    Ein merkwürdiges Sammelsurium, das bei den Mahlzeiten um den großen Tisch im Souterrain herumsaß, »displaced persons« die amtliche Bezeichnung, Verschleppte, Verwehte, vom Weg geworfene aus durchsichtigen und undurchsichtigen Gründen, jeder mit seiner Geschichte am Hals, Opfer der Zeitläufte allesamt, auch wenn diesem und jenem etwas wie Schuld vorzuwerfen wäre, Herrn Baranow zum Beispiel. Oder der Holländerin Eis van Rouwen, nach Deutschland verschleppt angeblich, von der Gestapo verfolgt und untergetaucht, was jedoch, weil sie keinerlei Anstalten machte, in ihre Heimat zurückzukehren, auf wenig Glauben stieß. Mit Recht, wie sie Margot später einmal gestand, denn nicht die Gestapo war in diesem Fall das Verhängnis, sondern die Liebe, ein deutscher Soldat, und jeder wußte es in Nimwegen, und man würde sie kahlscheren und durch die Stadt schleifen, falls sie sich dort blicken ließe. Kollaboration, ein Vergehen, das man auch dem lettischen Ehepaar Mikitis, Gustav und Lauma Mikitis, gerüchteweise vorwarf, stille, verhuschte Gestalten, ständig die Köpfe gesenkt, wir sind es nicht, schienen sie zu sagen. Und wenn Colonel Hollet von »very good people« sprach, so mochte er recht haben, nur freilich nach anderen Maßstäben als jenen, die für Sussex galten. Manchmal vermutete Margot, daß er die wirklichen Gesichter dieser Menschen übersehen, ihre Nöte und Hoffnungen überhört und sich von ihnen seine eigenen Bilder geformt hatte. Wir sonst wohl hätte er auf den Gedanken kommen sollen, Ildiko und Eva, die beiden Ungarinnen, in Stanley Schofields Schreibbüro zu schicken, noch dazu mit den Worten: »Well,

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