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Malenka

Malenka

Titel: Malenka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irina Korschunow
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democracy, and the Germans give us their excellent sausage, tell them that, Maggie.« Und wenn auch bei näherer Betrachtung Margot diese Demokratisierungstouren genauso abstrus erschienen wie die Permitwirtschaft, es war die Arbeit, die sie auffing nach den Feindseligkeiten im Souterrain.
    Es war, als sei ein unsichtbarer Kreis um sie gezogen, den niemand zu durchbrechen wagte unter den Blicken der vier echten Opfer, selbst Herr Baranow nicht und auch nicht Eis van Rouwen, die bisweilen zu ihr ins Büro kam, um eine Zigarette zu rauchen und über ihren Chef Captain Laughan zu klagen, einen Genauigkeitsfanatiker mit Falkenaugen für Fehler, vor allem aber, um das Heimweh aus sich herauszuweinen. Sie war Mitte Zwanzig, von herzhafter Stämmigkeit, wie man sich eine Holländerin vorstellte, und wenn sie von zu Hause sprach, Holland, Nimwegen, die Eltern, stand hinter jedem Satz der Wunsch, endlich auch zu offenbaren, warum der Weg dorthin sich verschloß. Gespräche am Rand des Vertrauens. Aber bei den Mahlzeiten sah sie wieder ängstlich an Margot vorbei, und auch Lauma Mikitis im Vorzimmer von Mr. Willcox bekundete ihre Sympathie nur, wenn kein anderer etwas davon merkte.
    Ende November jedoch, als die Iffenhausener Talmulde im Nebel versank, erster Schnee über den Park fiel und Margot glaubte, eingemauert zu werden von der frostigen Leere, traf wider Erwarten doch noch Herrn Baranows Prophezeiung ein: Es wird sich geben.
    Margot hatte am Morgen zu husten begonnen, tief aus den Bronchien heraus, ein Geräusch, das Colonel Hollets Ohr beleidigte. »An awful noise«, sagte er vorwurfsvoll, »disgusting«, gab ihr eine halbe Flasche Rum und der Küche die schriftliche Anweisung, den Abendtee möglichst kochend zu servieren.
    Frau Kükü tat es mit Eifer. »Hot«, sagte sie, die Kanne in der Hand und nach allen Seiten lächelnd, »hot, hot.« Sie band die Schürze ab und setzte sich, wie immer nach dem Essen, zu den anderen an den Tisch, auch Olga kam, die jugoslawische Küchenhilfe, für die Sergeant Schofield ihrer aufgeworfenen Lippen, vor allem aber eines speziellen Körpergeruchs wegen den Beinamen Piggy geprägt hatte. Olga Piggy, was sie zum Glück nicht verstand. Tee wurde eingeschenkt, Margot goß sich Rum in die Tasse, gab, weil sie Olgas begehrlichen Blick bemerkte, auch ihr und Frau Kükü einen Schuß, sagte zögernd: »Wenn jemand etwas haben möchte, bitte«, und schob die Flasche über den Tisch zu Josephs Platz.
    Joseph hatte sich gerade Tee genommen. Er stellte die Kanne hin, sah Margot an, dann stieß er die Flasche weg mit solcher Heftigkeit, daß sie, hätte Eva nicht zugegriflen, vom Tisch gefallen wäre.
    Lauma Mikitis gab einen kleinen spitzen Schrei von sich, sonst herrschte Stille, und Margot, die es nicht länger ertrug, wollte endlich sagen, was sie sich zurechtgelegt hatte bei zahllosen imaginären Versuchen, den Kreis von innen aufzubrechen. Etwa dies: Ihr haßt mich, weil ich Deutsche bin, und vielleicht würdet ihr mit mir am liebsten das gleiche machen, was wir mit euch gemacht haben, und ich verstehe es sogar, nur, wie soll das weitergehen, gestern du, heute ich, morgen wieder du und nie ein Ende.
    Schlüssige Überlegungen nachts vor dem Einschlafen, aber nun blieben sie ungesagt, Josephs zerstörtes Gesicht, Evas kaputte Stimme, welche Argumente hielten davor stand, und so war es ja auch, heute du, morgen ich, dann wieder du, so war es immer gewesen, Worte, Wind in den Bäumen. Sie schwieg und sagte nichts, dies nicht, und nicht das andere: Ich bin genauso alt wie ihr, und wenn es umgekehrt gewesen wäre, ihr an meiner, ich an eurer Stelle, hättet ihr mich retten können? Denn alles war, wie es war, kein Wenn, kein Wäre oder Hätte half darüber hinweg.
    Sie wollte aufstehen und gehen. Doch da öffnete Eva die Flasche. Langsam schraubte sie die Kappe los und ließ Rum in den Tee laufen, für sich, für Ildiko. Dann beugte sie sich zu Joseph hinüber.
    Joseph zog die Tasse fort, Schweißperlen erschienen auf seiner Stirn, Max Weinstein schüttelte ärgerlich den Kopf.
    »Probier doch mal«, sagte Eva mit ihrer heiseren Flüsterstimme, löste Josephs Hand von der Tasse und hielt sie fest, »weißt du überhaupt, wie das schmeckt?« Sie goß ihm Rum ein, und während sie, ohne seine Hand loszulassen, nach der eigenen Tasse griff und trank, hielten auch die Augen ihn fest, bis er ebenfalls zu trinken begann, unsicher, zögernd, doch er tat es.
    Was folgte, geschah beiläufig. Margot

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