Maler und Mädchen - Maler und Mädchen
Tische in der Mitte der Schenke und begrüßte ihn bereits mit einem Lächeln.
»Was machen Ihre Gemälde und Tafelbilder, Herr Maler?« sagte sie, als er vor ihr stand, und deutete auf den Stuhl neben sich. Mina Cloeck war eine Matrone von Mitte Fünfzig mit einer auffallend schönen porzellanartigen Haut. Einem Hut mit einer Borte aus Fuchsfell auf dem Kopf, vor ihr auf dem Tisch ein Stück Walnußkuchen und ein Glas Wein, noch fast voll. Vor Jahren hatte er ein Porträt ihres Mannes gemalt, das nicht angenommen wurde, zu wenig Ähnlichkeit, wie der Kunde meinte. Keinen Millimeter nachgebend, hatte er trotzdem seine fünfhundert Gulden kassiert, die Demütigung eines Schlichtungsverfahrens durch Kollegen hatte er in Kauf genommen.
Zu blöd, aber nicht zu ändern, er nahm Platz. Seine Tasche stellte er zwischen sie beide auf den Boden. Die Schenke lag direkt neben dem Turm an der Oude Eylandsgracht an einem schmutzigen Kaiabschnitt, wo es ungeheuer stinken konnte, vor allem wenn Schiffe mit Ochsen aus Dänemark entladen wurden. Welche Regentenfrau kam schon hierher?
Ihr Lächeln war eines, das ganz von selbst ein wenig spöttisch wurde.
»Denen geht es sehr gut«, antwortete er und dachte mißmutig: deutlich besser als mir. Nachdem es elf Uhr geschlagen hatte, hatten er und der Apotheker ein weitschweifiges Gespräch begonnen, ohne Plan und Ziel – über das gewaltige Bauchaos schon seit Jahren hier in der Stadt, gerade jetzt die Verlängerung der Herengracht über die Amstel hinaus, überall Schutt und Schlamm, sämtliche Etats doppelt und dreifach überschritten, würde das denn nie ein Ende haben, was waren das bloß für Stadtväter? Daraufhin hatte er seine Einkäufe bezahlt und war nach Hause gegangen. Wieder hatte er den Weg über den Dam gemieden. Am Ende der Warmoesstraat überkam ihn die Lust, an einem Kneipentisch irgendwo abseits ganz allein ein Glas Rheinwein zu trinken, und er war Richtung Hafen abgebogen.
Er rief dem Wirt seine Bestellung zu. »Darf ich rauchen?« fragte er die Frau an seinem Tisch.
Sie nickte und hielt es für nötig, ihm zu erzählen, daß sie hier warte, um gleich die Treckschute nach Muiden zu nehmen, wo Verwandte von ihr wohnten. Dabei sah sie ihn an, tief nachdenklich, als wolle sie eigentlich über etwas ganz anderes sprechen.
Er spürte die Berührung ihres grünlichen, katzenartigen Blicks.
Sie hat es gesehen.
Und tatsächlich sagte sie: »Na, es ist vorbei. Nach dieser unerwarteten Szene ging es eigentlich schnell, finden Sie nicht?«
Ein Glas wurde ihm hingestellt. Er trank ein paar Schlucke und schwieg weiter, fast schon beleidigend. Die Frau spürte, daß er nicht dabeigewesen war.
»Wegen eines Talers!« sagte sie. Und in einem Ton, alswären er und sie völlig einer Meinung: »So etwas bleibt doch unbegreiflich, oder?«
Der Maler hatte den Fall nicht verfolgt.
»Ein Taler?«
»Ja«, antwortete sie. »Das war der Betrag, den dieses Mädchen der Schlaffrau schuldete. Vierzehn Übernachtungen, ein Taler, also, das ist angemessen, das ist wirklich kein Pfennig zuviel.«
Während er seine Pfeife stopfte und anzündete, erfuhr er, daß das Mädchen, das sie gerade erdrosselt hatten, nach vierzehn Tagen Logis von der Zimmervermieterin zum Zahlen aufgefordert worden war, sofort, ohne auch nur einen Tag Aufschub, und dabei ein paar Schläge mit einem Besen bekommen hatte, was natürlich nicht recht war, aber – Mina Cloeck legte ihre Hände breit auf den Tisch – deshalb greift man doch trotzdem nicht zum Beil …!
Der Maler sah, daß die Frau kleine, freundliche Finger hatte, mollige, mit sorgsam gefeilten Nägeln. Er studierte sie kurz, blickte dann wieder auf ihr Gesicht und spürte, was er auch schon an ihrer Stimme bemerkt hatte: daß sie ganz erfüllt war von dem eben Gesehenen, einem kalten, schmutzigen, aber völlig legitimen Geschehen, das sie jetzt wie ein Geheimnis in sich trug und gern mit ihm teilen wollte.
»Tja, das Geld …« lautete seine Reaktion.
Es wurde still. Langsam rauchend leistete der Maler der Frau Gesellschaft, deren Ehemann es in verschiedenen Ämtern, in denen er immer mächtiger und immer reicher geworden war, verstanden hatte, ihm Steine in den Weg zu legen, und zwar nicht die kleinsten. Bürgermeister, ehemalige Bürgermeister und Schöffen haben großes Gewicht bei der Vergabe von städtischen Kunstaufträgen. Sie können auchdafür sorgen, daß ein glänzendes, dem Rathaus bereits geliefertes Kunstwerk von einem Maler
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