Maler und Mädchen - Maler und Mädchen
Glück. Sie starrte hinauf in die Dunkelheit. Ochsen brüllen anders als Stiere. Ihre leicht jammernden, immer wieder nach oben schießenden Stimmen machen den Unterschied deutlich zwischen den Tieren, die sich fortpflanzen können, und solchen, die während ihres fünf-, sechsjährigen Lebens nur möglichst fett werden müssen, um dann gegessen zu werden.
Als es nach zwei Tagen Tauwetter nachts doch wieder strengen Frost gegeben hatte, wagten sie es.
»Bist du dir sicher?«
Der Schlitten stand am Kleinen Belt, im Begriff, ihn zu überqueren. Mit der Sonne im Osten zeichneten sich diePferde riesengroß auf der Eisfläche ab. Elsje trug die Stiefelchen aus Rentierhaut, Fell nach innen, die sie gestern zum Geburtstag bekommen hatte. Achtzehn geworden, genau an diesem Abschiedstag. Alle hatten sie gerührt angesehen: Ach, wie süß, was für ein reizendes Alter, achtzehn! Dann hatten sie Lang soll sie leben für sie gesungen, von Treins Knecht auf der Kniegeige begleitet.
»Bist du dir sicher, daß es geht, Trein?« wiederholte der Bürgermeister und wandte den prüfenden Blick vom verschwommenen jenseitigen Ufer zu der Frau auf dem Bock.
Als Antwort ein Nicken zum Knecht, der sofort zum Gepäckraum ging, einen Vorschlaghammer herausnahm und ohne ein Wort zu sagen aufs Eis trat.
»Wiedersehen! Gute Reise! Bis zum nächsten Mal!«
»Siehst du«, rief Trein kurz darauf über die Schulter hinweg Elsje zu. Das Zweiergespann schritt geschmeidig hinter dem Knecht her, der im Trab, fast vornüber fallend, die Festigkeit des Eises mit Hammerschlägen testete.
»Ja«, sagte diese, blaß und schläfrig, und sah sich um. Am Ufer verstreut beobachteten einige Ochsentreiber zu Pferde, ob dem Schlitten mit den schweren Friesen die Überquerung gelingen würde. Wo hatte sie diese schwarzen Schildwachen schon mal gesehen? Wo diese Reihe von Männern, die sehr lange schauten und warteten, bevor sie auf irgend etwas mit ja antworteten? In einem Traum?
Der Kleine Belt mißt in der Breite höchstens eine deutsche Meile, sogar im Schrittempo ist man im Nu auf der anderen Seite. Die Pferde kletterten das Ufer hinauf. Die Reisegesellschaft glitt auf jütländischen Boden. Tödliche Stille und ein Himmel, der sich bezog, weil der Wind auf Nord drehte. Der Knecht hatte sich auf die Rückbank neben Elsjegesetzt, die ihn noch eine ganze Weile keuchen und schlucken hörte.
»Na?« fragte Trein nach den ersten Meilen. »Was hab’ ich dir gesagt? Geht’s nicht prima?«
Kurz darauf sahen sie an einem Ast aufgehängt einen Wolf. In einem kahlen Wald ein Stück weiter hingen noch einmal drei.
Am Ende des Nachmittags sah das flache Land um sie herum aus wie eine von Gott und allen Menschen verlassene Eiswüste. Sie hatten stundenlang nach einer Raststation Ausschau gehalten. Leere, Wolfsgeheul. Als sie wieder einem solchen aus dem Weg geräumten Tier begegneten, das völlig steifgefroren war, bekam Elsje von ihrer Reisegefährtin dazu einen aufmunternden Kommentar.
»Gut, du siehst, hier wohnen tatsächlich Menschen.«
»Mm … Mmenschen«, stotterte sie, von einer Einsamkeit erfaßt, die auch mit den alltäglichsten Lebensfragen nichts mehr anzufangen weiß.
13
Wenn eine Frau will (1)
Dann legt sie ihr Bein über das Bein des Mannes. Sie sitzt auf seinem Schoß. Sie spürt, daß seine Hand nicht in hundert, nicht in tausend Jahren genug von der Rundung ihrer Schulter bekommen wird. Das spürt sie einfach. Weil seine andere Hand etwas schüchterner ist, hilft sie mit ihren Fingern ein wenig nach, ihre Brust federt mit. Vollständig bekleidet sitzen die beiden beisammen. Sie trägt ein Kleid mit keuschem V-Ausschnitt und bis über die Ellbogen reichenden Ärmeln, er hat sogar den Hut noch auf dem Kopf und die Stiefel an. Das einzige, was nackt ist, obwohl man das nicht sehen kann, sind ihre Füße. Italienische Frauen wirken in solchen Situationen mitunter williger als holländische. Werden sie nur ein bißchen nach hinten gedrückt, dann geben sie nach, atmet der Mann schwer an ihrem Ohr, dann gehen ihre Füße auseinander, sehr weit sogar, doch die Knie bleiben zusammen. Und der eine Arm hält festen Kontakt mit einem Stuhl, so einem robusten Möbelstück im Cinquecento-Stil. Diese beiden sitzen in völliger Übereinstimmung beisammen, sie mit unter dem Rock leicht gespreizten Beinen. Warum auch nicht? Er sieht sie von der Seite her an, mit einem Lächeln, das sagt: Na komm schon! Sie, die ganze Zeit innerlich ja sagend, sieht
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