Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
noch ein wenig vor sich hin. Nicht aus Verlegenheit und auch nicht aus Unsicherheit,letzteres schon gar nicht, sie weiß längst, daß er ihre Brüste für zwei Kälbchen hält. Aber das ist so ein Moment, nicht wahr. Ohne Zeit und eigentlich auch ohne Ort, obwohl sie sich in einer sicheren, warmen Umgebung befinden, einem Garten mit Bäumen, Mauern, einem weichen Boden und niemandem, der sie belauern kann.
    Niemand? Hier irren sie sich. In einem Fenster in der Seitenmauer sitzt ein Voyeur. Ein fürstlich gekleideter Herr sieht interessiert zu, wie die beiden dort beisammen sind. Als er den Mann und dessen Frau zurücksinken sieht, beugt er sich vor, die Hände auf dem Sims. Hat er noch nie ein verliebtes Paar bei der Liebe gesehen? Weiß er nicht, wie das geht? Überrascht zieht er die Augenbrauen hoch. Der Mann hebt den Rock der Frau in die Höhe, sie nestelt am Verschluß seiner Hose, er öffnet sich ganz leicht, und doch hilft er ihr, mit gekrümmten Fingern. Routinierte Liebende, Geliebte einfach, sie tun es gern. Der Voyeur im Fenster sieht in erster Linie die Schenkel der Frau und ihren weißen Bauch, der Körper des Mannes ist eher ein Vehikel, ferngesteuert, ein Stellvertreter für hinausgeschobenen, aber doch eindeutig vorhandenen Genuß, für eindeutig vorhandene Liebe. Sex ist Bewegung, Zuschauen scheint still, ist es aber nicht. Der Voyeur sieht und erkennt, daß der Mann den Hals seiner Frau inzwischen wirklich nicht mehr als Elfenbeinturm bezeichnen wird, ihren Mund nicht als das Rot eines Granatapfels, ihr Haar nicht als eine Ziegenherde, die von den Bergen zur Ebene hinunterzieht, keine Rede davon, seine Leidenschaft ist darüber hinaus. Los jetzt! Rascher Blick ringsum. Es geht, jetzt ganz schnell, kein Mensch, der uns stört, hämmernder Herzschlag in den Ohren. Was der Voyeur bedauert, persönlich, ist, daß der Geschlechtsakt sokeusch ist. Schade, schade! Kein Blick zu erhaschen auf die umgestülpte samtene Rose, die sich zwischen ihren Schenkeln verbirgt, nichts von der Farbe – Feuerfarbe? – der krausen Wiese darüber!
    Sie schlingt ein Bein um seine Hüften. Mögliche Schreie, die des Endspurts, sind nicht zu hören.
    Am selben Abend begegnen sich Liebhaber und Voyeur.
    »Na, hör mal, das ist doch eindeutig nicht deine Schwester«, murrt letzterer.
    Der Liebhaber macht ein reumütiges Gesicht.
    »Gut möglich, daß sie mich umgebracht hätten, wenn ich zugegeben hätte, daß sie nicht meine Schwester, sondern meine Frau ist«, sagt er.
    Der Voyeur nickt. Da ist was dran.
    »Sie ist eine umwerfende Schönheit«, gibt er zu.
    Die beiden Männer sehen sich an. Der Voyeur, ein edelmütiger Mensch, senkt die schweren Lider ein wenig.
    »Na schön. Ich werde ihnen befehlen, daß sie ihre Pfoten von dir und deiner Frau lassen.«
     
    Auf dem Rückweg nach Hause, während das Problem in seinem Atelier ihm ohne viel Nachdruck, wie ein ostinato , der schon von selbst zur Ruhe kommt, im Kopf herumging, fiel dem Maler auf, wie ermattet die Stadt trotz des Frühlingswetters aussah. Irgend etwas an diesem Mann und dieser Frau mußte anders werden, das wußte er ganz genau und blickte auf die schweren Türen, mit den Toreinfahrten daneben, am Ende des Singel. Auf dieser Strecke waren bis zum Beginn des Herbstes die Karren mit den lebenden Toten gerast. Es schien, als hinge ihr Lärm hier noch immer in der Luft und auch der Anblick, denn die Fußgänger, dieihm entgegenkamen, glitten an den Häuserwänden entlang, als wollten sie den rasanten Giftladungen auch jetzt nicht im Wege stehen.
    »Los, los, beeilt euch, liefert sie ab, aber schnell!«
    Im August hatte man im Waisenhaus am Haarlemer Tor in aller Eile ein Pestzimmer eingerichtet. Reihen schnell zusammengezimmerter, übereinandergestellter Kojen. Auf den Fensterbänken Töpfe mit qualmendem Alaun. Er wußte, daß man auf dem Höhepunkt der Epidemie ohne Umschweife zwei oder drei von diesen Elenden zusammen auf eine Matratze gelegt hatte. Ein Pestkranker verwandelt sich innerhalb kürzester Zeit von einem Menschen in ein Greuel. Von einem Liebling in ein abstoßendes Phänomen.
    Es muß … stiller um die beiden werden, dachte er. Ja, nur der Mann mit seiner Frau. Niemand, der zuschaut. Sie beide, nur sie beide.
    Vor der Tür eines Trödelladens, in dem er gelegentlich sehr schöne Stoffe und ein paar Kleidungsstücke aus den seltsamsten Ländern gekauft hatte, stand die Besitzerin und starrte ihn entschlossen an.
    »Mal kurz reinschauen, der

Weitere Kostenlose Bücher