Malerische Morde
eigentlich an der Malerei besser? Mit Malen kann man nur in den seltensten Fällen Geld verdienen. Da braucht man dann schon Leute wie mich, die das ganze Geschmiere in bare Münze umsetzen. Leute mit Ideen.«
Delamot hatte gegrinst und abgewunken. Er ahnte, dass Wallraff in Wirklichkeit eine tiefe Liebe zur Malerei hegte.
In Momenten wie diesem wurde Wallraff bewusst, wie sehr er von Leuten wie Delamot abhängig gewesen war. Schon in der Schule hatte er selbst bestenfalls ein paar Strichmännchen malen können. Ein paar Schmierereien auf dem Jungenklo, ein paar Kritzeleien während langweiliger Telefonate, das war das künstlerische Gesamtwerk seines Lebens.
Und jetzt, wo dieser blöde alte Delamot tot war, war er aufgeschmissen. Er konnte nicht mal diese drei beschissenen Initialen auf die unsignierten Ölbilder bringen. Da hatte in Neuwied alles so prächtig geklappt, da hatte der trauernde Sohn mit einem vieldeutigen Zucken der Augenbrauen die paar Geldscheine eingestrichen, die Wallraff ihm hingehalten hatte, und eigentlich hätte es so laufen können wie immer. Aber seit ein paar Tagen lief nichts wie immer.
Vielleicht war er nur zu nervös. Vielleicht war das nächste Ding einfach eine Nummer zu groß.
Er trat wütend einen Stapel alter Zeitungen um. Dosen schepperte durch den Raum. Wallraff zuckte zusammen und huschte zum Fenster, um zu sehen, ob niemand ihn bemerkte. Er wischte eines der kleinen, dreckigen Scheibchen sauber und spähte über die verwilderten Hecken hinüber. Der Nachbar blieb verschwunden.
Stattdessen kam der Tscheche die Treppe runter. Wallraff mochte ihn eigentlich nicht. Er war maulfaul und konnte sehr schnippisch werden. Sein Kumpel, dieser dürre Typ mit dem unmöglichen Ossidialekt, vermittelte manchmal den Eindruck, als könne man sich unter anderen Umständen ganz gut miteinander unterhalten. Aber sie sprachen nicht viel. Es waren nur zwei Tage, das reichte nicht zum Kennenlernen. Ab morgen würde er die beiden nie wiedersehen.
»Gib mir auch ein«, sagte der Tscheche leise. Er trug nur ein olivfarbenes T-Shirt und einen weißen Slip. Wallraff hatte seinen Namen nicht richtig verstanden. Der Ossi sagte »Watzi«, vermutlich hieß er Vaclav oder so. Könnte er Tschechisch, käme er bestimmt gut bei dem an. Er selbst sprach fließend Französisch und Englisch, aber Tschechisch … Er reichte Vaclav ein Zigarillo.
Der Mann zündete es an. Das Zischen des Gasfeuerzeugs und das Knistern des anbrennenden Tabaks waren das Einzige, was zu hören war.
»Wo ist dein Kollege?«, fragte Wallraff möglichst beiläufig.
»Oben«, sagte der Tscheche gelangweilt. »Liest.«
Sie schlichen hier im Haus seit ein paar Stunden umeinander wie die Katzen, vermieden jeden Laut. Es war gefährlich, hier zu übernachten, sicher. Ausgerechnet hier! Die Tür war mit dem Polizeisiegel verklebt, aber Wallraff kannte ja den geheimen zweiten Eingang über das Garagendach. Und vor morgen früh würde hier kein neugieriger Bulle mehr aufkreuzen. Nur vor den Nachbarn musste man sich höllisch in Acht nehmen.
»Ich jetzt in Bett«, sagte der Tscheche. »Morgen schön sein.« Er grinste. Wallraff schmunzelte. Vielleicht doch kein so übler Typ. Die beiden waren wohl schon lange zusammen. Ob sie schwul waren? Wallraff hatte noch nichts beobachten können. Er hatte die beiden in Köln aufgetan. Ein Bekannter hatte mal mit ihnen zusammengearbeitet. Angeblich waren sie verlässlich.
Nun ja, er hatte keine andere Wahl. Das, was ihnen bevorstand, konnte er nicht alleine durchziehen.
»Ich geh auch gleich in die Kiste. Ich muss nur noch die beiden Bilder fertig machen.« Er ließ den Blick über die beiden Expertisen wandern, die auf dem kleinen Regal neben dem Arbeitstisch lagen. Alles okay. Daran würde es nicht scheitern. Briefkopf vom alten Professor Gehlen. Längst tot und längst verfault. Eine krakelige Unterschrift. Expertise … Taxator … Kein Mensch würde die Fälschung bemerken.
»Bis morgen«, sagte der Tscheche und verschwand wieder die Treppe hinauf.
Wallraff drehte sich wieder zum Tisch und nahm einen langen Zug an seinem Zigarillo. Er atmete tief durch und zwang sich zur Ruhe. Das musste jetzt was werden. Der Typ, der diese Bilder bei ihm gut hatte, konnte gefährlich werden. Gerade jetzt musste er unbedingt jegliches Aufsehen vermeiden. Wenn diese Dinger erst mal abgeliefert waren, war er quitt mit dem Kerl und hatte seine Ruhe. Ein Prozess wegen Fälscherei oder so was, das fehlte ihm jetzt
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