Malerische Morde
gerade noch. Jetzt, wo er dabei war, mal so richtig abzusahnen.
Er hatte die beiden Bilder bereits telefonisch angekündigt. Sie würden »Abendrot bei Blankenheim« heißen und »Herbst im Ahrtal.« Es waren schöne, anonyme Motive, die einen Pfusch dieser Art zuließen.
Er tauchte wieder den Pinsel in die Farbe.
»F.«
Wallraff klemmte die Zungenspitze zwischen die Lippen. Ging doch ganz gut. Wenn er nur nicht so nervös wäre.
Aber wer wäre nicht nervös, bei dem, was sie morgen vorhatten. Wenn alles glatt ging, hätte dieses Geschmiere vorerst ein Ende. Dann wäre er fein raus. Keine Altenheime mehr, kein Geschwätz, kein Fälschen von Expertisen mehr. Wenn alles glatt ging, dann hatte er endlich das finanzielle Polster, mit dessen Hilfe er was Neues anfangen konnte.
Aber wenn es schief ging …
Er tröstete sich, dass er dann im Knast viel Zeit hätte. Sehr viel Zeit. Unter Umständen würde er sich ein Hobby zulegen. Vielleicht würde er an der Fern-Uni Kunst studieren. Er grinste ironisch und holte zum kleinen »V« aus.
Farbe tropfte auf das »F«. Drei fette braune Kleckse.
Fluchend schleuderte Wallraff den Aschenbecher durch den Raum.
Siebentes Kapitel
Die Tür flog auf, und der kleine braun gebrannte Mann hinter dem Schreibtisch hätte fast den Hörer fallen lassen.
»Hillesheim ist weg!«
Heinz-Peter Hoffmann, Pressesprecher des Landkreises Daun, wollte gerade losdonnern, als er das nackte Entsetzen im Gesicht der hereinstürmenden Sekretärin erkannte. Langsam nahm er die Füße vom Schreibtisch und ließ den Telefonhörer sinken. »Ich telefoniere!«
»Die versuchen schon die ganze Zeit, Sie zu erreichen. Hillesheim ist weg!«
»Wie – Hillesheim ist weg? Was soll das denn?« Er knurrte ein »Ich rufe gleich noch mal an« in den Hörer und legte auf.
Es war einer jener Tage. Einer, der genau so begann, wie andere auch: Auf ihn wartete ein Arbeitspensum, das er kaum bewältigen konnte. Was er am wenigsten gebrauchen konnte, war eine durchgeknallte Sekretärin. »Jetzt beruhigen Sie sich erst mal, und dann erklären Sie mir vielleicht …«
»Hillesheim … Das Bild … Der ›von Wille‹. Das Bild ist weg!«
Hoffmanns Gesichtsfarbe veränderte sich augenblicklich um einige Schattierungen ins Pastellfarbene.
Der Landkreis Daun war stolzer Besitzer einer Reihe von sieben kostbaren Ölgemälden, die einer seiner prominentesten Bürger, der Künstler Fritz von Wille, im Jahr 1911 für den Sitzungssaal des früheren Kreishauses angefertigt hatte. Große Gemälde von überwältigender Schönheit und hohem künstlerischen Wert. Als Erstes war damals ein monumentales Werk fertiggestellt worden, das die Stadt Hillesheim inmitten ihrer trutzigen Mauerumwehrung darstellte. Kein Geringerer als Kaiser Wilhelm Zwo war anlässlich seines Besuches in Daun einer der Ersten gewesen, die das riesige Bild in Augenschein genommen hatten.
»Das ist doch ein Spaß, oder?« Hoffmann versuchte ein Lächeln. Die Spitzen seines dünnen Schnurrbarts zuckten nach oben. »Ein Witzchen. Versteckte Kamera, oder so.«
»Es ist weg!«, beteuerte die Sekretärin mit panisch aufgerissenen Augen. »Der Landrat steht unten und brüllt alles zusammen.«
Dessen Stimme schallte durchs Treppenhaus.
Hoffmann stürzte die Treppen hinunter, als ginge es in den Jahresurlaub. Die Wand, auf die er zustolperte, war leer. Fast konnte man meinen, an der Stelle, an der bis vor kurzem noch ein etwa zweifünfzig mal einsfünfzig großer Ölschinken gehangen hatte, sei die Wandfarbe ein wenig heller.
Hoffmann ließ den Kopf herumgehen. Das alte Daun … Gerolstein … alles hing an seinem Platz. Wo war Hillesheim?
»Das muss man sich mal vorstellen!«, tobte Landrat Heinz Onnertz und ruderte wie wild mit den Armen. »Fahren diese Typen mit einem Lieferwagen vor, kommen hier in weißen Kitteln reinspaziert, zeigen im Vorbeigehen an der Zentrale eine Art Ausweis oder was weiß ich, murmeln was von Restaurierung, greifen sich das Bild von der Wand und rauschen wieder ab! Das gibt’s doch gar nicht, so was. Raub und Klau am helllichten Tag! Ja, sind wir hier denn in Palermo?«
Das letzte »O« schallte durch die Gänge.
Im Treppenhaus hatte sich unterdessen vom Büroboten bis zur Putzfrau alles versammelt und beobachtete stumm und in sicherem Abstand das Geschehen.
»Da war eine Schramme im Himmel von Hillesheim«, wagte sich jemand aus dem Personalbüro zaghaft und mit dünner Stimme vor. »Vielleicht ist es ja wirklich zur
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