Malerische Morde
Wissen Sie, das Portrait-oder Aktmalen war nicht gerade seine Stärke, aber er war ein grandioser Landschaftsmaler. Einer von der ganz alten Schule. Er hat ein paar Jahre hier oben gelernt, in der Schule des Professors. Seine Bilder sind nicht hier, weil sie einfach nicht hierher passen. Ich erzähle Ihnen jetzt etwas, was Sie wirklich rühren wird und Ihnen zeigt, wie groß Hermanns Liebe zu mir tatsächlich war. Vor vier Jahren wurde ich krank. Eine Sache mit den Bronchien. Es ging mir sehr schlecht damals. Hermann hat sofort beschlossen, sein Atelier aus diesem Haus zu entfernen. Ständig hing dieser Geruch von Lösemitteln und Terpentin in der Luft. Der Firnis, das Leinöl … das riechen Sie im ganzen Haus.«
»Ihr Mann hat nicht mehr hier im Haus gemalt?«
»Seine Schwester starb vor ein paar Jahren. Sie war alleinstehend und er erbte ein kleines Einfamilienhaus in Mirbach. Dorthin hat er sich dann zurückgezogen, wenn er malen wollte. Dort konnte er tun und lassen, was er wollte. Er störte keinen. Manchmal, wenn er bis spät in die Nacht gearbeitet hatte, dann hat er dort auch übernachtet. Ich weiß nicht, ob Sie sich das vorstellen können, aber wenn ein Künstler mitten in einem großen Werk steckt, löst sich die Welt um ihn herum in Wohlgefallen auf.«
»In Mirbach?«
»Ja, nahe bei der Kirche. Es müssen Hunderte von Bildern und Skizzen dort sein. Ich überlege derzeit, was ich mit ihnen machen werde.«
»War dieses Mädchen, diese Renate Zalfen, ein Aktmodell Ihres Mannes?«
»Naja, Sie haben ja Hermanns letzte Skizze gesehen. Die, die am Holzmaar entstanden ist. Nicht wahr?«
»Ja, in der Tat.« Herbie räusperte sich. »Das habe ich.«
»Na also.«
»Hm.«
»Die sagt ja eigentlich alles. Nackter geht’s doch nicht.«
»Kaum.«
»Na also.«
»Kannte er Fräulein Zalfen schon lange?«
»Darüber kann ich Ihnen keine Auskunft geben.« Sie lächelte. »Ich würde, wenn ich könnte. Ich selber habe die Nati, wie Hermann sie immer nannte, ein-oder zweimal gesehen. In Hillesheim, glaube ich. Kein hübsches Mädchen eigentlich. Wie lange Hermann sie schon … malte, weiß ich nicht.«
»Hatte er mehrere Modelle?«
Ihr Lächeln entwickelte sich immer mehr zu einem Grinsen. »Wenn Sie auch nur eine einzige Silbe von dem veröffentlichen, was ich Ihnen heute hier erzähle, dann haben Sie einen Prozess am Hals. Ich habe kein Interesse daran, mich morgen in Ihrem Blatt wiederzufinden und zu lesen, dass ich über meinen verstorbenen Mann herziehe.«
Herbie besann sich auf einen Satz, den er mal irgendwo aufgeschnappt hatte: »Ich recherchiere diese Sache, aber ich werde nichts veröffentlichen, was Sie nicht vorher gelesen haben.«
»Sehen Sie, als ich vorhin so bestimmt bestritten habe, dass Hermann der Vater dieses ungeborenen Kindes hätte sein können, da lag es nicht daran, dass Hermann nicht möglicherweise mit dieser Nati … Ich meine, was er da in seinem Häuschen in Mirbach gemacht hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Er hat nicht viel erzählt, und ich glaube, das war eigentlich auch ganz gut so. Wir sind prächtig miteinander ausgekommen. Nur noch soviel: Hermann
konnte
nicht der Vater sein, denn Hermann
konnte
keine Kinder mehr zeugen.«
Herbie nickte verständig.
»Wir haben da vor sechs Jahren mal was versucht. Da hätte ich mir noch Kinder gewünscht. Aber die Ärzte sagten damals, da wäre nichts zu machen.«
Sie setzte eine heitere Miene auf und schlürfte an ihrem Kaffee, als habe sie gerade eine nette Urlaubsepisode zum Besten gegeben.
Herbie war das Thema ausgesprochen peinlich.
Wieso? Hast du nichts dazu beizutragen? Erzähl doch mal, wie’s bei dir so steht. Würde mich übrigens auch brennend interessieren
.
»Hat Ihr Mann viele Bilder verkauft?«
»Ich glaube, das meiste hat er für sich selbst gemalt. Er trennte sich nicht gerne von seinen Werken.«
»Konnten Sie beide denn davon leben?«
»Ich sagte Ihnen ja bereits gestern, dass ich einen ganz ordentlichen Job beim WDR habe, der ganz gut bezahlt wird. Aber Hermann lebte nicht auf meine Kosten. Er bezahlte immerhin dieses Haus ab und unterhielt auch noch das Häuschen in Mirbach.« Sie zuckte mit den Schultern. »Er scheint also doch das ein oder andere Bild verkauft zu haben.«
Ein metallisch klingendes Fiepen schallte durch den Raum, und Deborah Delamot sprang auf. »Das Telefon. Irgendwo habe ich es herumliegen.« Als sie in den Nebenraum lief, baute sich Julius vor Herbie auf und stemmte die Hände in die
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