Malerische Morde
hier. Sein Blick war getrübt, seine Haltung nicht mehr gerade. Er fuhr sich immer wieder mit der flachen Hand über den silbergrauen Stoppelkopf und grinste versonnen. »Der Steff«, sagte er mit schwerer Zunge. »Der Steff hat morgen ordentlich zu tun.«
»Richtig so!« Die beiden Polizisten stießen mit den Gläsern an.
»Hier, trink noch eins«, grölte Wolfi, und ehe er reagieren konnte, hatte Herbie wieder ein Bier in der Hand.
In diesem Augenblick probierte irgendein Besoffener aus, ob der Feuerlöscher aus seinem Auto noch funktionierte. Ein Schaumteppich legte sich über die mittlerweile entstandene Mondlandschaft.
Zwölftes Kapitel
Ein paar Stunden später tastete sich Herbie an den Hauswänden entlang zu seinem Auto, das er an der Hauptstraße abgestellt hatte.
Es ist nicht dein Auto. Das sollte dich beruhigen. Mit Köbes‘ Auto darfst du selbst in deinem momentanen Zustand bedenkenlos fahren
. Julius bewahrte Haltung, während Herbie gekrümmt über den Bürgersteig schlich. Als er zu seinem Begleiter aufsah, wirbelten drei feist grinsende Juliusgesichter durch die Abendluft, umtanzt von tausend Mücken.
»Lass mich doch feiern, Julius«, murmelte Herbie, »lass deinen alten Freund doch ein bisschen feiern. Ich habe doch wirklich Grund genug dazu, oder? Köbes kommt frei und fertig ist die Laube!« Er versuchte, in die Hände zu klatschen, was gründlich misslang.
Als er das Auto des Brautpaares passierte, das ein paar hundert Meter entfernt vom Geschehen am Straßenrand geparkt war, staunte Herbie trotz des Alkoholnebels, der ihn umgab, wie erfinderisch man doch bei der Dekoration eines Autos sein konnte. Was Christo mit dem Reichstag veranstaltet hatte, war einfallslos dagegen. Man hatte das Auto, bei dem es sich möglicherweise um einen Corsa handelte, komplett mit Toilettenpapier verhüllt. Darauf hatte man mit Sprühlack »Steff und Birgit« rundherum in unendlicher Folge gesprüht. Die Krönung des Ganzen war allerdings eine kniehohe Mauer, die man in aller Eile, jedoch mit äußerster Akkuratesse mit Klinkersteinen und Schnellzement rund um das Auto hochgezogen hatte.
»Dieser Steff. Warum heiratet der nicht irgendwo im Ausland?«, fragte Herbie.
Wer weiß, wie die Sitten in fremden Ländern sind? Möglicherweise droht ihm da noch schlimmeres Ungemach
.
Jemand stand neben Köbes’ Auto und pinkelte in die Nacht. Es war der ältere Polizist, Willems.
»Du willst doch nicht mehr fahren?«, fragte er und schüttelte ab.
Herbie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Quatsch. Nicht, nachdem, was Wolfi mir … oh Mann, dieser ›Eifelgeist‹. Ich vertrag einfach keinen Schnaps.«
Du bist doch schon blau, wenn du die Bremsspur eines Milchwagens siehst
.
Die beiden Männer lehnten sich Seite an Seite mit dem Rücken gegen das Auto.
Aus der Ferne grölte der Junggesellenverein: »Es scheint der Mond so hell auf dieser Welt! Zu meinem Mädel bin ich hinbestellt …«
»Oh Mann, ich muss jetzt aufhören zu saufen. Morgen Abend hab ich wieder Dienst. Schön, dass heute überhaupt noch geheiratet …« Der grauhaarige Mann mit dem kantigen Gesicht musste aufstoßen und ließ den Rest des Satzes unausgesprochen in der warmen Abendluft hängen.
»Stimmt.«
»Meine ist schon vier Jahre tot. Verdammte Scheiße.«
Herbie schwieg. Die Stille rauschte in seinen Ohren.
»Krebs.«
»Schlimm.« Mehr fiel Herbie zu dem Thema nicht ein.
»Der Jörg, der heiratet auch bald«, sagte Willems, und seine Stimme bekam einen wehmütigen Klang. »Der heiratet die Sonja. Die Sonja, die ist was ganz Besonderes. Alle waren hinter der her, aber der Jörg, der hat se gekriegt. Vor zwei Monaten, in der Mainacht, da haben die Jungs ihm eine Kalkspur von seiner Wohnung bis zum Haus von der Sonja gezogen. Quer durchs ganze Dorf. Mitten auf der Straße. So machen die das hier mit denen, die demnächst heiraten. Großes Haus. Riesenkasten. Der Vater schafft bei Gerolsteiner. Richtig Kohle. Der Jörg hat das verdient, verstehste?« Unvermittelt blickte er Herbie an, und dieser bemerkte im Schein der Straßenlaterne, dass Tränen in die Augen des Mannes getreten waren. »Es gibt keinen wie den Jörg. Der Junge kommt aus dem letzten Dreck. Die Mutter ist beim sechsten Kind gestorben, und der Alte hat sich tot gesoffen.«
Herbie fühlte sich einigermaßen hilflos. Eigentlich war das nicht der richtige Zeitpunkt für tiefschürfende Gespräche, aber der Alkohol lockerte nun mal die Zunge und half dabei, das Herz zu
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