Malerische Morde
Zweifel. Er fuhr an den Straßenrand, um nachzudenken.
Er hatte ja schließlich nichts verbrochen. Das Polizeisiegel an der Haustür hatte er nicht beschädigt, dank seiner Handschuhe hatte er keine Fingerabdrücke hinterlassen …
Genau. Eigentlich kann niemand feststellen, dass du drinnen warst. Also wieso die Polizei?
»Tja, hm, wieso eigentlich die Polizei?« Herbie kaute an den Fingernägeln.
Dann trat er das Gaspedal durch und schoss wieder auf die Straße. Wenige Augenblicke später hatte er Walsdorf schon wieder hinter sich gelassen und fuhr immer tiefer in die Eifel hinein.
»Ein Fehler, Julius. Hoffentlich war das kein fataler Fehler.«
Er fuhr reichlich planlos eine Weile durch die Nacht und erreichte irgendwann die Kreisstadt Daun. Er vermied es, in den Ort hineinzufahren und bog linkerhand auf die Umgehungsstraße ab. Irgendwann wies ein Schild nach rechts zu den Maaren, und er bog erneut ab.
Julius ließ sich eine Weile lang nicht mehr vernehmen. Er ahnte vermutlich, dass es Herbie in all seiner Verzweiflung auf eine unerklärliche Art und Weise zum Holzmaar zog, zu der Stelle, an der diese verteufelte Geschichte ihren Anfang gehabt hatte.
Die kurvenreiche Strecke bis zur Weinfelder Kapelle hinauf wurde begleitet vom melodiösen Gequietsche der abgefahrenen Reifen des Kombis. Vorbei an der Kapelle am so genannten »Totenmaar«, vor der Herbie im Vorbeifahren durch die Bäume hindurch das Flackern zahlreicher Friedhofslämpchen wahrnahm, führte die Straße mit sanften Schwüngen über den Höhenrücken zwischen den Talkesseln der Maare. Bei Tag bot sich hier einer der herrlichsten Ausblicke, die die Eifel zu bieten hatte, aber in einer wolkenreichen Nacht wie dieser versanken die Wasserspiegel der Kraterseen in bodenloser Schwärze zu beiden Seiten der Straße.
Als sie die Altburg-Klinik passiert hatten, in der Uli in wenigen Stunden wieder ihren Dienst antreten würde, und dann wenig später die Autobahn überquert hatten, wussten sie, dass es nun nicht mehr weit war. Beinahe hätte Herbie die Abbiegung verpasst, die rechts durch den Wald zum Holzmaar führte, und wäre weiter geradeaus nach Gillenfeld gefahren. Er bemerkte es im letzten Moment und riss das Steuer herum.
Als er den Wagen inmitten des aufwirbelnden, trockenen Lehms auf dem Parkplatz zum Stehen brachte, war Herbie wie von Sinnen.
Er stieß die Fahrertüre auf und sprang hinaus in die Nacht. Aufgebracht rannte er in der Kühle der Nacht ein paar Schritte hin und her und fluchte: »Ich hasse es! Oh, Mann, ich hasse es, in so etwas mit hineingezogen zu werden!«
Darf ich dich daran erinnern, dass du selbst es warst, der unbedingt den Detektiv spielen wollte. Du könntest jetzt in deinem beschaulichen Heim in Bad Münstereifel vor dem Kaminfeuer sitzen und in deiner Briefmarkensammlung blättern, aber nein …
Herbie ließ sich rücklings gegen das Auto fallen und warf den Kopf in den Nacken.
»Ich wünschte, Nina wäre hier«, flüsterte er.
Sie würde dir den Kopf waschen. Soweit ich sie kenne, würde sie jetzt sagen: Herbert Feldmann, du hast das angefangen, also bring das Ganze auch zu einem ordentlichen Ende
.
»Aber wie soll ich denn?« Herbie rieb sich erschöpft die Augen. »Wir haben zwei Morde. Eine junge Frau ist erschlagen worden, während sie im Wasser planschte. Kurz zuvor ist der alte Mann getötet worden, der gerade mit viel Kunstverstand und Talent dabei war, ihren Körper und das herrliche Gewässer auf Leinwand zu skizzieren.«
Kurz zuvor?
»Das vermute ich. Ansonsten würde das bedeuten, dass er zusah, wie Nati umgebracht wurde, und das ergäbe nun wirklich überhaupt keinen Sinn. Unterbrich mich jetzt bitte nicht. Weiter: Die Waffe wurde hier auf dem Parkplatz gefunden. Man darf also davon ausgehen, dass der Täter hier geparkt hat. Ist er also den beiden vielleicht ganz zufällig begegnet? Um sechs Uhr morgens? Nein. Also wusste er, dass sie hier waren und hat ihnen hier aufgelauert. Oder er ist ihnen sogar bis hierher gefolgt.« Herbie schloss die Fahrertür ab und ging langsam zum Maar hinüber.
Dabei blieb er brav für einen Augenblick am Rand der Fahrbahn stehen, die nordwärts zurück zur Straße von Daun nach Gillenfeld führte und südwärts auf die Straße nach Eckfeld und Manderscheid zustrebte.
Er guckte nach rechts und links und ging hinüber.
»Fahren wir fort: Da ist die junge Tote. Sie stand dem Maler nackt Modell. Immer wieder. In Posen, die man als wenig sachverständiger Mensch
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