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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Miette, die am anderen Ende der leeren Halle, die vor den beiden Zimmern liegt, das Ohr an
     das Schloß unserer Tür hielt und angestrengt zu horchen schien. Ich wußte ganz sicher, daß das Zimmer leer war, weil ich mich
     eben vor der Maternité von Emmanuel getrennt hatte und weil ich es vor anderthalb Stunden selbst zugesperrt hatte, als ich
     hier war, um vor dem Reiten meine Stiefel anzuziehen.
    Ich ging auf sie zu und rief: Aber Miette, was machst du denn da? Sie fuhr zusammen, richtete sich auf, errötete und blickte,
     als wollte sie die Flucht ergreifen, mit gehetzter Miene um sich. Ich stand sofort vor ihr, faßte sie am Handgelenk und sagte:
     Hör mal, Miette, es gibt hier nichts zu horchen, dieses Zimmer ist leer! Sie sah mich so ungläubig an, daß ich den Schlüssel
     aus der Tasche holte, die Tür öffnete und Miette, die heftig Widerstand leistete, noch fester am Handgelenk packte und mit
     Gewalt ins Zimmer zerrte. Sobald sie sich überzeugt hatte, daß das Zimmer tatsächlich leer war, blieb sie betroffen stehen.
     Dann machte sie, ohne sich um meine Fragen zu kümmern, stirnrunzelnd den Kleiderschrank auf, wo sie wohl die Kleider von Emmanuel
     und von mir wiedererkannte, denn sie ließ meine unbeachtet, |229| während sie mit der flachen Hand zärtlich über die seinen strich. Danach zog sie jede Schublade einzeln aus der Kommode, und
     ihr Gesicht hellte sich allmählich auf. Fragend blickte sie mich an und deutete, weil ich – von dieser Haussuchung ziemlich
     überrascht – nichts sagte, mit dem Zeigefinger der Rechten erst auf das Ruhebett am Fenster, dann auf meine Brust. Ich nickte.
     Sie wendete sich mit staunenden Augen nach allen Seiten um und bemerkte in diesem Moment das Foto mit der bogenschießenden
     Birgitta auf Emmanuels Schreibtisch, hatte es gleich mit einer heftigen Bewegung ergriffen und schwenkte es in der rechten
     Hand, während sie mich mit großen Augen ansah und mit der linken Hand auf das Bild wies. Wie es nun kam, weiß ich nicht, aber
     mit ihrem Gebaren, mit ihrer Körperhaltung, mit der Neigung des Kopfes, mit dem Ausdruck in ihrem Gesicht, mit den Gebärden
     der Hände gelang es ihr, mir die Frage nicht direkt zu stellen – denn es kam kein Ton über ihre Lippen –, sie mir aber vorzumimen,
     vorzuspielen und beinahe vorzutanzen. Und diese Frage war so deutlich, daß ich sie fast zu hören meinte: Wo ist nun aber die
     Deutsche?
    Alles klärte sich auf. Im Etang, man erinnert sich, waren die Wahrwoorde der Meinung, Birgitta sei noch bei uns. Dieser Irrtum
     hatte sich in Miettes Kopf nicht zerstreut. Die Zurückhaltung ihr gegenüber, die Emmanuel am Abend der Rückkehr nach Malevil
     gezeigt hatte, hielt sie im Gegenteil für den Beweis, daß sein Herz anderswo gebunden war. Da sie Birgitta in der Burg nirgends
     erblicken konnte, hatte sie sich eingebildet, Emmanuel halte sie irgendwo eingeschlossen, um sie unseren begehrlichen Blicken
     zu entziehen. Der Umstand, daß Emmanuels Zimmer, von dem sie nicht wußte, daß auch ich dort schlief, als einziges zugesperrt
     war, hatte diese Vorstellung bei ihr befestigt. Mit den materiellen Unmöglichkeiten, auf die ihre Annahme überall stieß, hatte
     sie sich keinen Moment aufgehalten. Und offenbar nur um seine eifersüchtige Leidenschaft zu respektieren, hatte sie Emmanuel
     nicht gewählt.
    Wie dem auch sei, Miette machte ihren Irrtum noch am gleichen Tage nach der abendlichen Runde wieder gut, und ich hatte, über
     die Erleichterung, die wir alle empfanden, hinaus, noch ein boshaftes zusätzliches Vergnügen: zu sehen, wie Emmanuel den Saal
     verließ – die dicke Bibel in der einen Hand und Miette, wenn ich so sagen darf, in der andern.

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    Von Fulbert bekamen wir zwei gute Nachrichten zu hören. Marcel Falvine, der Bruder unserer Falvine, und auch Catie, Miettes
     ältere Schwester, waren am Leben. Zum andern: Colins Materialschuppen war intakt geblieben.
    Unseren Gast ließ ich – weniger um ihn zu ehren, als um mit Muße sein erstaunliches Gesicht zu betrachten – mir gegenüber
     an der Tafel Platz nehmen und Miette einen Sitz weiter abrücken, wodurch ich sie von Peyssou zu dessen lebhaftem Mißvergnügen
     trennte.
    Das schwarze Haar des Neuangekommenen war üppig und weich und wies auf dem Schädel nicht die geringste Spur einer Tonsur auf.
     An den Schläfen war es mit der Zeit beträchtlich ergraut, fiel vorn in breiten, edlen Locken herab und bildete so eine Art
     Sturmhaube

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