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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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oder Mähne, die seine mächtige Stirn und seine prachtvollen, lebhaft und verschlagen blitzenden Augen zur Geltung
     brachte. Unglücklicherweise lagen die Pupillen nicht ganz in einer Achse, ein beunruhigendes Schielen beeinträchtigte seinen
     Blick. Schade auch, daß der untere Teil seines Gesichts in eine Schnauze auslief, wodurch sich der Ausdruck von Falschheit,
     den schon das Schielen in seine Augen brachte, noch verstärkte.
    Doch war das nicht der einzige Kontrast bei Fulbert. Seine Hände zum Beispiel. Breit und kräftig, mit spatelförmigen Fingern.
     Arbeitshände, die nicht zu dem gleichen Menschen zu gehören schienen wie seine schöne, salbungsvolle Stimme und seine gewählte
     Ausdrucksweise.
    Auch seine so erstaunlich verteilte Magerkeit. Die Rundungen unterhalb der Augen, beim Kinde lieblich anzusehen und von uns
     Wangen genannt, von den Medizinern aber mit weniger Poesie als Bichatsche Fettpfropfe bezeichnet, diese Wangen oder Pfropfe,
     wie man will, waren bei Fulbert völlig weggeschmolzen und hatten beiderseits der Nase eine bedenkliche Aushöhlung zurückgelassen,
     die an eine Tuberkulose im letzten |231| Stadium denken ließ und ihm ein trügerisches Kranken- oder Asketenantlitz verlieh. Ich sage »trügerisch« aus folgendem Grund:
     Als ein Mann, der gewohnt ist, auf Kosten der Allgemeinheit zu leben, hat mich Fulbert vor seinem Abschied von Malevil »brüderlich«
     (im Namen, vermute ich, unseres gemeinsamen Vaters) gebeten, ihm eines von meinen Hemden abzutreten (so drückte er sich aus),
     da sein eigenes zerschlissen war. Wenn auch etwas erstaunt, daß ich allein die Kosten dieser Brüderlichkeit tragen sollte,
     bequemte ich mich dazu. Und Fulbert, der den Wäschewechsel auf der Stelle vornahm, entblößte bei dieser Gelegenheit einen
     prächtig entwickelten, muskulösen Oberkörper, gut im Fleische und sogar rundlich, der nicht zu dem gleichen Körper zu gehören
     schien wie sein ausgemergeltes Gesicht.
    Asketisch und krank: Im Verlauf seiner ersten Mahlzeit an unserem Tisch behauptete Fulbert, beides in einem zu sein. Gleich
     zu Beginn vertraute er uns an, er habe »stets nur von wenigem gelebt«, habe kein »Bedürfnis« und habe sich ganz »in die Armut
     geschickt«. Wenig später ging er in seinen Eröffnungen noch weiter. Seine Gesundheit sei »von einem Leiden untergraben, das
     keine Hoffnung läßt, glücklicherweise aber nicht ansteckend ist« (dies, vermute ich, um uns zu beruhigen). Er stehe bereits,
     erklärte er schlicht, »mit einem Fuß im Grabe«. Indessen aß er für vier und erging sich mit schöner, springlebendiger Baritonstimme
     in unablässigen Reden. Auch ließ er von Zeit zu Zeit zwischen zwei Bissen ein paar Blicke verstohlen auf seine Nachbarin zur
     Linken gleiten. Und sein Interesse schien sich zu verdoppeln, als er vernahm, daß sie stumm war.
    Ich begann mir ein paar Fragen über Fulbert zu stellen. Nach dem, was er aus seinem Leben vor dem Tag des Ereignisses zu erzählen
     wußte – er war, mindestens dem Anschein nach, sehr offenherzig, wenn auch stets in gewisser Art ungenau –, war er in ganz
     Mittelfrankreich und im ganzen Südwesten des Landes umhergereist und hatte sich, immer als geladener Gast, bald beim Herrn
     Pfarrer Soundso, bald bei Madame Soundso, bald bei den Frommen Vätern in N. aufgehalten. Der Tag X überraschte ihn, als er
     gerade seit acht Tagen bei dem guten Pfarrer von La Roque wohnte, der vor seinen Augen die Seele in Gott aushauchte.
    |232| Unser Freund Fulbert hatte also weder eine Pfarre noch ein Zuhause? Und wovon lebte er? In seinen Erzählungen war nur von
     mildtätigen Damen die Rede, die für seine »Bedürfnisse« sorgten (die er nicht hatte) und die ihm unzählige Geschenke zukommen
     ließen, weil sie einander seine Gesellschaft streitig machten. Davon, so schien mir, redete der schöne Fulbert nicht ohne
     Koketterie und seiner Ausstrahlung offensichtlich bewußt.
    Bekleidet war er mit einem anthrazitgrauen, ziemlich abgetragenen Anzug, der sich, sobald er ihn ausgebürstet hatte, als sehr
     sauber erwies; mit einem Hemd, an dem der keineswegs wie bei einem Geistlichen geschnittene Kragen tatsächlich ausgefranst
     war; und mit einer dunkelgrauen gestrickten Halsbinde. Vor allem trug er an einem schwarzen Halsband ein prachtvolles silbernes
     Brustkreuz zur Schau, wie es meines Wissens kein Priester zu tragen gewagt hätte, es sei denn ein Bischof.
    »Wenn du aus Cahors stammst«, sagte ich (ich hatte

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