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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Fluch auf ihnen lastete als Folge ihrer Verirrungen, ihrer Sünden, ihrer Gleichgültigkeit
     gegenüber Gott, als Folge der Vernachlässigung ihrer Pflichten – und insbesondere ihrer religiösen Pflichten. Zudem muß man
     wohl sagen, daß die Existenz für uns alle so prekär geworden ist, daß wir uns unwillkürlich dem Herrn zuwenden und ihn um
     seinen Schutz anflehen.«
    Beim Anhören dieser Rede kam in mir der Verdacht auf, daß Fulbert sein Bestes dazu beigetragen hat, das Schuldgefühl bei seinen
     Pfarrkindern zu vertiefen und das Wasser dann auf seine eigene Mühle zu leiten. Ich spürte, wie Thomas, der rechts neben mir
     saß, sich ebenfalls aufregte. Ich befürchtete einen Ausbruch und ließ auch ihm unterm Tisch eine Warnung zukommen. Ich wollte
     keinen Streit mit Fulbert über die Frage der Religion. Dies um so weniger, als er mit seinen samtweichen, wenn auch etwas
     scheelen Augen, mit seinem schönen Asketenhaupt und der tiefen Stimme eines Mannes, der »mit einem Fuß bereits im Grabe« stand
     (sich mit allen Zehen des anderen aber gewiß fest an die Erde klammerte), in weniger als zwei Stunden bereits drei Frauen
     betört und tiefen Eindruck auf Jacquet, auf Peyssou und sogar auf Colin gemacht hatte.
    Nach dem Essen, während die Tischgenossen rund um das Feuer saßen, kam Fulbert von sich aus wieder auf die materiellen Schwierigkeiten
     in La Roque zurück.
    |235| Die Leute von La Roque hatten der Zukunft anfänglich mit Optimismus entgegengesehen, denn der große Kolonialwarenladen und
     die Fleischerei neben Colins kleiner Werkstatt waren dem Brand entgangen, der das untere Dorf am Tage des Ereignisses verwüstet
     hatte. Doch machte man sich klar, diese Vorräte würden eines Tages aufgebraucht sein und La Roque würde sie nicht erneuern
     können, denn alle Bauernhöfe rings um den Flecken waren samt Viehbestand vernichtet worden. Im Schloß, dessen Eigentümer in
     Paris gewohnt hatten, so daß man sie für tot halten durfte, waren ein paar Schweine, ein Stier und fünf Reitpferde übriggeblieben,
     dazu das Futter, das sie brauchten. In Courcejac, einem kleinen Weiler zwischen La Roque und Malevil, der gleichfalls verschont
     war und sechs Einwohner hatte, waren alle Kühe bis auf eine, die ein Kuhkalb nährte, zugrunde gegangen. Dieser Verlust war
     um so mehr zu beklagen, als es in La Roque zwei Babys und ein Waisenmädchen von etwa zwölf Jahren gab, dessen Gesundheit Pflege
     erforderte. Um sie zu ernähren, hatte man bis jetzt die Büchsenmilch aus dem Kolonialwarenladen verbraucht, doch dieser Vorrat
     näherte sich seinem Ende.
    Die Schlußfolgerung aus diesen Ausführungen ließ Fulbert offen. Wir sahen einander an. Und da keiner auch nur piep sagte,
     stellte ich unserem Gast einige Fragen. Auf diese Weise erfuhr ich, daß die Einwohner von La Roque von Anfang an geahnt hatten,
     in Malevil müßte es Überlebende geben, weil ja Malevil, wie La Roque und Courcejac, durch eine Felswand geschützt war. In
     dieser Vorstellung waren sie vor ungefähr einem Monat bestärkt worden, als sie eines Morgens unsere Glocke zu hören meinten.
     Ich erfuhr auch, daß sie über etwa zehn Jagdflinten, über »eine Menge Patronen« und über Karabiner zu ihrer Verteidigung verfügten.
    Als Fulbert abermals auf die Reitpferde zu sprechen kam, spitzte ich die Ohren, erkundigte mich aber nicht nach ihnen. Ich
     kannte sie ja. Ich selbst hatte sie den Lormiaux verkauft. Die Lormiaux waren Pariser Industrielle, sie hatten ein verfallenes
     historisches Schloß für teures Geld erworben, Unsummen ausgegeben, um es restaurieren zu lassen, und hielten sich einmal im
     Jahr für einen Monat dort auf. Sie hatten es sich in den Kopf gesetzt, während dieses Monats die Schloßherren zu spielen und
     aufs Pferd zu steigen. Alle drei ritten schlecht, hatten |236| aber trotz meiner immerhin verdienstvollen Bemühungen, ihnen etwas weniger glänzende Reittiere zu verkaufen, partout drei
     englisch-arabische Pferde haben wollen. Anderseits konnte ich vor dem Tag X den Snobs nicht verwehren, mich Geld verdienen
     zu lassen. Die Lormiaux hatten mir, außer den drei englisch-arabischen Wallachen, auch noch zwei Schimmelstuten abgekauft,
     doch von diesen werde ich später sprechen.
    Ich stellte fest, der sonst so redselige Fulbert antwortete nur kurz auf meine Fragen. Daraus schloß ich, daß seine Schilderung
     der materiellen Verhältnisse in La Roque eine Folgerung enthielt, die er trotz seiner

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