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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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beträchtlichen Selbstsicherheit noch
     nicht zu formulieren gewagt oder vermocht hatte. Ich schwieg und blickte ins Feuer.
    Nach einer Weile bekam Fulbert einen leichten Husten, der nicht seine Verlegenheit, sondern den Umstand verriet, daß es ihm,
     der mit einem Fuß bereits im Jenseits war, einige Mühe machte, in diese Welt zurückzukehren und sich mit den Angelegenheiten
     der Menschen zu befassen.
    »Ich muß sagen«, fing er an, »daß mir das Los jener zwei Säuglinge und unseres armen kleinen Waisenmädchens große Sorge bereitet.
     Wir sind da in einer sehr schmerzensreichen Situation, aus der ich keinen Ausweg sehe. Ich weiß nicht, wie es uns ohne Milch
     gelingen soll, sie großzuziehen.«
    Wieder verfiel er in drückendes Schweigen. Alle Blicke hingen an ihm, und niemand hatte Lust zu reden.
    »Ich weiß wohl«, fuhr Fulbert mit seiner tiefen Stimme fort, »meine Bitte wird euch ungeheuerlich erscheinen, aber schließlich
     sind die Umstände außergewöhnlich, die Gaben Gottes sind ungleichmäßig verteilt, und um zu leben, auch nur zu überleben, werden
     wir uns daran erinnern müssen, daß wir Brüder sind und uns wechselseitig helfen sollen.«
    Ich hörte ihm zu. An sich war alles wahr, was er sagte. Aber aus seinem Munde klang alles falsch. Ich hatte den Eindruck,
     daß dieser Mann die menschlichen Gefühle, die er ansprach, nicht empfand.
    »Im Namen unserer armen Säuglinge in La Roque«, redete er weiter, »richte ich die folgende Bitte an euch. Ich habe bemerkt,
     daß ihr mehrere Kühe habt. Wir wären euch aus tiefem Herzen dankbar, wenn ihr uns eine davon abtreten könntet.«
    Totenstille.
    |237| »Abtreten?« fragte ich. »Hast du abtreten gesagt? Du hast also eine Gegenleistung im Auge.«
    »Offen gesagt, nein«, sagte Fulbert mit hoheitsvoller Miene. »Ich habe nicht an eine kaufmännische Transaktion gedacht. Ich
     fasse die Angelegenheit als einen Akt der Nächstenliebe auf oder auch als eine Beistandspflicht gegenüber Menschen in Gefahr.«
    Wir sind also gewarnt. Wenn wir ablehnen, werden wir in Fulberts Augen Menschen ohne Herz und ohne Moral sein.
    »Dann«, sage ich, »handelt es sich nicht um Abtreten, sondern um Schenken.«
    Fulbert nickt, und wir alle, außer Thomas, sehen einander verdutzt an. Von Bauern zu verlangen, daß sie eine Kuh
herschenken
! Daran erkennt man gleich die Stadtmenschen!
    »Wäre es nicht einfacher«, sage ich mit milder Stimme (doch nicht so einschmeichelnd wie Fulbert), »wenn wir die zwei Babys
     und das Waisenmädchen nach Malevil in Pflege nähmen?«
    Zwischen Fulbert und mir sitzt Miette, und als ich mich mit meiner Frage an Fulbert wende, gewahre ich ihr sanftes Gesicht
     und kann sehen, daß sie den Vorschlag, in Malevil eine Kinderkrippe einzurichten, hinreißend findet.
    »Für das Waisenmädchen würde das sehr gut angehen«, sagt Fulbert, »denn wir stehen da vor einem schweren Problem. Sie ist
     dreizehn Jahre und so mager und klein, daß sie wie zehn aussieht; sie hat Asthmaanfälle und ist obendrein von schwierigem
     Charakter. Es ist betrüblich, aber in La Roque finde ich schwerlich jemand, der sich ihrer annimmt.«
    Sein schöner Asketenkopf bleibt für einen kurzen Moment in Schwermut versunken. Er meditiert über den Egoismus der Menschen,
     und ich spüre, wir spielen in dieser Meditation unsere Rolle. Währenddessen läßt er seine Absicht nicht fallen und redet mit
     einem Seufzer weiter.
    »Was die Babys anbelangt, ist es unglücklicherweise nicht möglich, sie euch anzuvertrauen. Die Mütter wollen sich nicht von
     ihnen trennen.«
    Da er im voraus nicht wissen konnte, daß wir Kühe haben und ihm den Vorschlag machen würden, die Babys bei uns in Pflege zu
     nehmen, hatte er den Müttern die Frage gar nicht stellen können. Ich vermute also, daß er lügt und daß in La Roque nicht nur
     die Babys glücklich wären, wenn sie Milch bekämen.
    |238| Ich lasse nicht locker.
    »In diesem Falle wären wir bereit, mit den Babys auch die Mütter in Malevil aufzunehmen.«
    Er schüttelt den Kopf.
    »Nun, das ist nicht möglich. Jede von ihnen hat einen Mann und noch andere Kinder. Wir können die Familien nicht zerstückeln.«
    Er weist meinen Vorschlag zugleich mit einer schneidenden Handbewegung zurück. Und jetzt schweigt er. Er hat uns erbarmungslos
     in die Zwickmühle genommen: Entweder wir geben eine Kuh, oder die Babys sterben. Er wartet ab. Das Schweigen dauert an.
    »Miette«, frage ich, »würdest du Fulbert für diese

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