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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Mäßigung. Allmählich werde ich unruhig.
     Es steht schon fast zu schlecht für Fulbert. Ich überlege, ob ich seine Niederlage nicht auffangen sollte, damit wir ohne
     Krach auseinandergehen könnten.
    »Hast du Peyssou getroffen?« frage ich.
    »Nein.«
    »Wenn du ihn siehst, sag ihm nichts. Verstehst du, erzähl ihm nichts.«
    Widerwillig verspricht er es, und als ich in der Schirrkammer Trense und Sattel aufhängen will, fängt Fulberts großer grauer
     Esel ein ohrenzerreißendes Geschrei an. Der kleine Colin stellt sich auf die Zehenspitzen und wirft einen Blick in seine Box.
     Was denn, du kleiner Angeber, sagt er geringschätzig, hältst du dich vielleicht für einen Hengst, daß du dir erlaubst, den
     Schwengel zu zeigen? Bildest du dir ein, unsere Stuten wären für dich da, alter Esel? Und wenn wir dich samt deinem Herrn
     in den Burggraben expedierten? Ins eiskalte Wasser! Das würde euch den Arsch schon abkühlen!
    Ich lache darüber, auch mit Vorbedacht, um nämlich dem Vorschlag jeden Ernst zu nehmen. Auf jeden Fall, sagt Colin, ein wenig
     beschwichtigt durch seinen eigenen Scherz, kannst du sicher sein, daß ich nicht beichten gehe. Ich gebe ihm einen leichten
     Klaps hinter die Schulter und mache mich auf den Weg zum Bergfried, um mich umzukleiden.
    Unterhalb der Zugbrücke stoße ich auf die Menou, die mir bekümmert erscheint. Ich bleibe stehen, sie hebt ihr Totenköpfchen
     mit den lebhaft glitzernden Augen zu mir auf, gerade, sagt sie, wollte ich es dir sagen, Emmanuel, der Fulbert hat mir nach
     der Beichte erklärt, daß er sich Sorgen wegen unserer religiösen Pflichten macht, weil wir sicher nicht jeden Sonntag nach
     La Roque kommen können, das ist zu weit, und unter diesen |259| Bedingungen meint er, ob er nicht einen Vikar ausbilden und ihn nach Malevil schicken und dauernd hier wohnen lassen soll.
    Sprachlos sehe ich sie an. Ich dachte mir schon, sagt die Menou, daß dir das kein rechtes Vergnügen bereiten wird.
    Kein rechtes Vergnügen! Zu schön gesagt! Ich sehe nur allzu gut, was sich hinter dieser Fürsorge verbirgt. Wie Colin vorhin,
     aber aus ganz anderem Grund, knirsche ich mit den Zähnen, während ich die Wendeltreppe im Bergfried hinaufklettere. Als ich
     das erste Stockwerk erreiche, geht eine der beiden Türen auf, und es erscheint Fulbert, der Peyssou hinausgeleitet. Jacquet
     steht auf dem Treppenabsatz und wartet, daß er an die Reihe kommt.
    »Guten Tag, Emmanuel«, sagt Fulbert mit einer gewissen Kälte. (Er weiß bereits, daß ich nicht die Absicht habe zu beichten.)
     »Könnte ich dich vor der Messe für ein paar Minuten in meinem Zimmer sprechen?«
    »Ich werde dich in meinem erwarten«, sage ich. »Es liegt im zweiten Stock rechts.«
    »Einverstanden«, sagt Fulbert.
    Meine kleine Zurechtweisung hat ihn nichts von seiner Majestät einbüßen lassen, und mit der anmutigsten Gebärde fordert er
     Jacquet zum Eintreten auf.
    »Peyssou«, sage ich, »willst du mir einen Gefallen erweisen?«
    »Aber sehr gern«, sagt Peyssou.
    »Ich bring dich in das Zimmer neben dem meinen und möchte dich bitten, die Gewehre zu reinigen. Aber blank wie Nickel! Wie
     mit der Flosse gehobelt.«
    Diese militärische Redeweise gefällt ihm, er willigt ein, und ich bin zufrieden, nicht, weil ich nun saubere Flinten bekomme,
     denn sie sind schon sauber, sondern weil Peyssou bis zur Messe aus dem Verkehr gezogen ist. Die Dinge sind ohnehin kompliziert
     genug, so daß ich nicht noch überdies ein Problem Peyssou auf dem Hals haben möchte.
    In meinem Zimmer ziehe ich Pullover und Unterhemd aus und mache mich mit nacktem Oberkörper zurecht. Ich bin aufs äußerste
     besorgt und nervös. Ich denke ununterbrochen an die bevorstehende Unterredung und rate mir nun auch selbst zur Mäßigung. Ich
     öffne meine Schubladen; um auf andere Gedanken zu kommen, leiste ich mir die kleine Freude, ein Hemd auszuwählen. |260| Meine Hemden sind mein Luxus. Ich besitze gut zwei Dutzend in Wolle, Baumwolle und Popeline. Die Menou hat sie in Pflege.
     Kommt nicht in Frage, daß sie sie von »jemand anders« in der Wäsche versauen oder beim Bügeln verbrennen läßt!
    Kaum habe ich mein Hemd zugeknöpft, klopft es. Fulbert. Er muß Jacquet weggeschickt haben. Er tritt ein, sein Blick fällt
     auf meine geöffneten Schubladen; hierher gehört die Episode mit dem »brüderlichen Ansuchen«, die ich bereits erzählt habe.
    Ich überwinde mich, sehr widerwillig übrigens. Ein jeder hat seine Schwächen: Ich

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