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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Anspruch genommen, hört nichts oder stellt
     sich, als hörte er nichts. Und als Peyssou mir einen fragenden Blick zuwirft, kommen meine Befürchtungen wieder, und ich entschließe
     mich, die Dinge ein wenig voranzutreiben und die Abreise des heiligen Mannes zu beschleunigen. Ich rufe Miette |278| herein und weise die Menou an, uns ein großes Feuer anzumachen, ein großes Feuer, verstehst du, Menou. Doch glaubt ja nicht,
     daß sie jetzt, wo es sich darum handelt, ihren Sohn zu trocknen, ans Sparen denkt! Denn als Miette, ihre Hemdbluse in der
     Hand und ganz in der Unschuld ihres Spiels, zu uns tritt (ohne daß Fulbert, wie ich bemerke, sie zu tadeln oder gar anzuschauen
     wagt), folgt ihr Momo gleich ins Haus nach, nur zu glücklich bei dem Gedanken, daß er ihr zusehen kann, wenn sie ihre Hemdbluse
     vor den Flammen des Kamins ausbreitet. Was sie nun tut. Und wir alle stehen mit unseren dampfenden Kleidern um sie her und
     braten uns an diesem Höllenfeuer, mit unseren Gedanken, wie ich beobachte, dem Teufel nicht sehr fern.
    Miette sieht mich an und legt ihre Hemdbluse auf einen Hocker, weil sie, um mit mir zu reden, ihre Hände braucht. Sie hat
     mir Vorwürfe zu machen und zieht mich beiseite. Ich folge ihr. Das Spiel der Gebärden beginnt. Sie habe mir für die Messe
     einen Stuhl neben sich frei gehalten und habe wohl gesehen (ein Finger auf das Auge), daß ich im letzten Moment in die zweite
     Reihe eingeschwenkt bin (Handbewegung, die einen Fisch darstellt, der in allerletzter Sekunde die Richtung ändert).
    Ich beruhige sie. Ich sei ja nicht ihretwegen geflüchtet, sondern Momos wegen, und sie wisse wohl, warum. Sie bestätigt, daß
     Momo tatsächlich (Daumen und Zeigefinger drücken die Nase zu). Sie wundert sich darüber. Ich beschreibe ihr die Schwierigkeiten,
     denen wir begegnen, wenn wir ihn waschen wollen, die Notwendigkeit eines Überraschungsangriffs, die hohe Anzahl der Beteiligten,
     den Energieaufwand, die List und die Kraft, mit denen Momo unsere Bemühungen zu vereiteln sucht. Sie hört mir aufmerksam zu,
     sie lacht sogar. Und auf einmal pflanzt sie sich, die Hände in die Hüften gestemmt, ihre schwarze Mähne schüttelnd, vor mir
     auf und verkündet mir mit entschlossenem Blick, daß Momo ab jetzt von ihr gewaschen wird.
    Dann findet es die Menou an der Zeit, mich leise zu fragen, ob sie »den Leuten« einen Happen vorsetzen soll. (Die Heuchlerin
     denkt natürlich vor allem an ihren Sohn, den sie gegen die »Verkühlung« wappnen will.) Ich antworte ihr im gleichen Ton, daß
     ich lieber bis zur Abreise des Pfarrers warten möchte; inzwischen könne sie für Fulbert ein Paket mit einem Laib Brot |279| und einem Kilogramm Butter für die Menschen in La Roque herrichten.
    Als Fulbert, eine Aufhellung des Wetters nutzend, bescheiden auf seinen grauen Esel steigt und aufbricht, ist ganz Malevil
     am Torbau versammelt. Die Verabschiedung zeigt feine Unterschiede. Meyssonnier und Thomas sind eiskalt. Colin an der Grenze
     der Unverschämtheit. Ich selbst salbungsvoll, doch mit Distanz in der Leutseligkeit. Wirklich herzlich sind nur die beiden
     Meninas sowie, für den Moment wenigstens, Peyssou und Jacquet. Miette kommt nicht heran, und Fulbert scheint sie zu vergessen.
     Sie ist, zwanzig Schritt von uns entfernt, in einer sehr angeregten Diskussion mit Momo begriffen. Da sie mir den Rücken kehrt,
     kann ich ihr Gebärdenspiel nicht sehen, doch was sie sagt, muß bei Momo auf starke Gegenwehr stoßen, denn ich höre die gewohnte
     lautmalerische Weigerung. Er reißt jedoch nicht aus, wie er das vor seiner Mutter oder vor mir getan hätte. Mit gefesseltem
     Blick und benommenem Gesicht bleibt er wie angewurzelt vor ihr stehen, und mir scheint, daß seine widerstrebenden Rufe allmählich
     die Kraft verlieren und seltener werden.
    Ich gebe Fulbert mit einem verbindlichen Lächeln sein Gewehrschloß zurück. Er schiebt es an seinen Platz und hängt die Waffe
     über. Er hat nichts von seiner Gemütsruhe und von seiner Würde eingebüßt. Bevor er seinen Esel besteigt, bestätigt er mir,
     mit einem Seufzer der Trauer über den Tiefstand der menschlichen Barmherzigkeit, die Annahme meiner viel zu harten Bedingungen,
     unter denen ich der Pfarre von La Roque die Kuh übereignen will. Ich entgegne ihm, daß diese Bedingungen nicht meine eigenen
     seien, doch begegnet er dieser Erklärung mit einer Skepsis, die mich im Grunde nicht sehr verwundert, weil er selbst ja eben
     meine Bedingungen

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