Malevil
beschlossen. Sie wird unter Kontrolle
der Spender durchgeführt. Thomas und Jacquet sind verantwortlich.«
Thomas ist in einer angeregten Unterhaltung mit Catie begriffen (ich behalte mir vor, diese später und mit Muße im einzelnen
zu beschreiben); er kommt, von Jacquet gefolgt, heran, und die Menge tritt willfährig beiseite, um sie in Lanouailles Laden
einzulassen. Ich werfe rasch einen Blick auf Fabrelâtre, der gelb und fassungslos ist. Er muß wohl reichlich dumm sein, wenn
er sich zu meiner Abstimmung hergegeben und selbst mitgestimmt hat, so daß seine Isolierung offenbar wurde. Auf sich selbst
gestellt, ist dieser alte Blödian ein Nichts. Die Fäden hat die Macht hinter dem grünen Portal in der Hand.
Lanouaille geht mit Eifer an die Arbeit, und während er die |295| Brote aufschneidet, sehe ich, daß sich Agnès, mit ihrem Baby auf dem Arm, etwas abseits hält und ihren Mann in der Schlange
stehen läßt. Sie kommt mir ein wenig abgemagert vor, aber mit ihrem blonden Haar, das in der Sonne glänzt, und mit ihren hellbraunen
Augen, die mir immer den Eindruck erwecken, als wären sie blau, nicht minder reizvoll. Ich gehe auf sie zu. Wenn ich sie ansehe,
fühle ich die kleine Schwäche wieder erwachen, die ich einst für sie hatte. Und sie schaut mich ihrerseits liebevoll und mit
traurigen Augen an, als wollte sie sagen: Nun siehst du, mein armer Emmanuel, wenn du dich vor zehn Jahren entschieden hättest,
wäre ich heute in Malevil. Ich weiß. Das ist auch wieder eins von den Dingen, die ich im Leben nicht getan habe. Und ich denke
oft daran. Während wir auf diese Weise unsere Gedanken austauschen, setzt auf der Ebene der Worte die Konversation ein. Ich
streichle ihrem Baby, das mein Baby hätte sein können, die Wange. Ich erfahre von Agnès, daß es ein Mädchen ist, acht Monate
alt.
»Es scheint so, Agnès, als wärest du nicht gewillt gewesen, deine Kleine Malevil anzuvertrauen, wenn wir die Kuh nicht nach
La Roque gegeben hätten. Stimmt das?«
Empört blickt sie mich an.
»Wer hat dir das gesagt? Davon war niemals die Rede!«
»Du weißt genau, wer.«
»Ach, dieser Mensch!« sagt sie mit verhaltenem Zorn. Aber ich merke, daß sie die Stimme senkt.
In diesem Moment sehe ich gerade noch, daß sich Fabrelâtre unbemerkt zu dem grünen Portal davonmachen möchte.
»Monsieur Fabrelâtre!« rufe ich laut.
Er bleibt stehen, dreht sich um, und alle Blicke richten sich auf ihn.
»Monsieur Fabrelâtre«, sage ich und gehe jovial lächelnd auf ihn zu, »ich finde es sehr unklug von Ihnen, sich während der
Zuteilung zu entfernen!« Immer noch lächelnd, nehme ich ihn am Arm, ohne daß er sich wehrt. »Sie werden doch Fulbert nicht
wecken wollen«, sage ich in süßsaurem Ton. »Wie Sie wissen, ist er ein Mann von zarter Gesundheit. Er hat viel Schlaf nötig.«
Ich fühle seinen Arm schlaff und muskellos unter dem meinen zittern und führe ihn, ohne meine Umklammerung zu lockern, mit
kurzen Schritten zur Fleischbank zurück.
|296| »Aber der Herr Pfarrer muß doch von Ihrer Ankunft verständigt werden«, sagt er mit erstorbener Stimme.
»Es eilt nicht, Monsieur Fabrelâtre. Es ist erst halb neun! Kommen Sie, helfen Sie Thomas beim Verteilen.«
Und er, diese steife Latte, gehorcht! Er tut, was man sagt. Ist schlaff und dumm genug, an der Verteilung mitzuwirken, die
er mißbilligt hat! Marcel hält die Arme über seinem ledernen Schurz gekreuzt und erlaubt sich, ganz laut und ganz allein vor
sich hin zu lachen. Nur Pimont lacht mit. Aber jetzt, nachdem ich mich gerade etwas allzu zärtlich mit den Augen seiner Frau
unterhalten habe, schäme ich mich ein wenig, ihn anzusehen.
Ich will mich zu Catie begeben, als mir der alte Pougès dazwischenkommt. Ich kenne ihn gut. Wenn meine Erinnerung mich nicht
trügt, ist er gerade fünfundsiebzig Jahre alt geworden. Er ist klein, hat wenig Fett am Leib, wenig Haar, wenig Zähne und
sehr wenig Eifer bei der Arbeit. Das einzige, was er im Überfluß hat, ist sein Schnurrbart von gelblichem Weiß, der ihm auf
altfranzösische Manier beiderseits der Lippen herunterhängt und auf den er, glaube ich, stolz ist, weil er ihn gern und mit
schalkhafter Miene glattstreicht. Ich, Emmanuel, pflegte er zu sagen, wenn ich ihm in Malejac begegnete, ich sehe nach nichts
aus, aber alle habe ich sie schön aufs Kreuz gelegt. Erst kratzt da meine Frau ab. Das war schon eine. Eine Giftnudel, du
hast sie ja gekannt. Dann, mit
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