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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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fünfundsechzig, meine Altersrente als Landwirt, und gleich gebe ich den Hof auf Leibrente weg.
     Ziehe ganz friedlich nach La Roque, von beiden Seiten einkassieren, da lebe ich so ungefähr auf Kosten von Vater Staat. Vom
     Faulenzen. Zehn Jahre dauert das schon! Und ist noch nicht zu Ende. Ich sterbe mit neunzig wie der Vater. Das heißt, fünfzehn
     Jahre von diesem guten Leben stehen mir noch zu! Und die andern bezahlen!
    Pougès und seinem Schnurrbart begegnete ich in Malejac, weil er Tag für Tag, sogar bei Schnee, die fünfzehn Kilometer zwischen
     La Roque und Malejac mit dem Fahrrad zurücklegte, um zwei Glas Weißwein in der Schenke zu trinken, die Adelaide neben ihrem
     Kolonialwarenladen bis spätabends offenhielt. Zwei Glas, nicht mehr. Eines, das er sich selbst leistete. Und eines, das sie,
     die ihren Stammkunden gegenüber immer ein gutes Mädchen war, ihm offerierte. Und auch davon profitierte Pougès. An dem spendierten
     Glas hielt er sich ewig auf.
    |297| »Wie kommt es denn«, fragt mich Pougès leise, zieht an seinem Schnurrbart und sieht mich verschmitzt an, »wie kommt es, daß
     du meine Stimme nicht mitgezählt hast?«
    »Ich habe dich nicht gesehen«, sage ich und lächle ein wenig. »Du hast die Hand wohl nicht hoch genug gehalten. Das nächste
     Mal wirst du forscher drangehen müssen.«
    »Trotzdem«, sagt er und zieht mich beiseite, »ich habe dafür gestimmt. Denk daran, Emmanuel, ich habe dafür gestimmt. Ich
     bin nicht einverstanden mit dem, was hier vorgeht.«
    Und ganz sicher auch nicht damit einverstanden, dir den Pelz naß zu machen.
    »Dir fehlen wohl die hübschen Spazierfahrten mit dem Rad«, sage ich höflich, »und die zwei Schluck Weißwein in Malejac?«
    Er sieht mich an und schüttelt den Kopf.
    »Die Spazierfahrten, die fehlen mir nicht. Du wirst es nicht glauben, Emmanuel, aber ich fahre auf der Bezirksstraße noch
     täglich mit meinem Rad. Eher fehlt mir, daß da am Ende nichts mehr ist, wo ich mich ausruhen kann. Denn der Wein vom Schloß,
     na ja, da kannst du dir die Hacken ablaufen, damit diese Lumpen dort auch nur einen Fingerhut voll abgeben!« fährt er mit
     verhaltener Wut fort.
    »Dann hör mal«, sage ich auf patois. »Warum fährst du nicht jetzt, wo die Straße freigelegt ist, von Zeit zu Zeit bis Malevil
     durch? Wo sich die Menou doch nichts Besseres wünscht, als dir einen Schluck Roten von unserer Rebe zu offerieren, der sich
     mit dem Weißen bei der Adelaide wohl messen kann.«
    »Das lehne ich nicht ab«, sagt er und kann kaum das gleichsam unverschämte Triumphgefühl verbergen, das ihm der Gedanke an
     diesen Gratistrunk beschert. »Und wie freundlich das von dir ist, Emmanuel! Ich sage es auch niemand, wo es doch manchmal
     welche gibt, die es dann mißbrauchen wollten!«
    Daraufhin pufft er mich freundschaftlich in den Oberarm, lächelt mich an und streicht sich augenzwinkernd über seinen Schnurrbart,
     womit er mir schon im voraus den ganzen Wein bezahlt hat, den er mir abzapfen wird. Und wir gehen zufrieden auseinander, er,
     weil er wieder einen Wohltäter gefunden hat, und ich, weil ich eine regelmäßige und unauffällige Verbindung mit La Roque hergestellt
     habe.
    In Lanouailles Laden nähert sich die Verteilung ihrem Ende. |298| Die Leute ziehen sich, sobald sie ihren Anteil Brot und Butter empfangen haben, hastig in ihre Wohnungen zurück, als müßten
     sie befürchten, noch im letzten Moment enteignet zu werden.
    »Und jetzt«, sage ich zu Lanouaille, »schneidest du unverzüglich das Fleisch auf.«
    »Das dauert aber einige Zeit«, sagt Lanouaille.
    »Fang auf jeden Fall an.«
    Der freundliche Bursche, so kräftig und so furchtsam, blickt mich erst an, bevor er das halbe Kalb vom Haken nimmt, auf die
     Fleischbank wirft und sein Messer zu wetzen beginnt. Im Laden verbleiben nur noch Marcel, Thomas, Catie und ein kleines Mädchen,
     das sie an der Hand hält. Jacquet ist Colin helfen gegangen, der ein paar Meter weiter unten an der Traverse seinen Kram auflädt.
     Die Falvine und Miette, die ich nirgendwo sehe, sind wohl bei Freunden im Ort. Die Noiraude aber, die man über dem Anblick
     der Brote beinahe vergessen hat, ist an einen Ring rechts von dem großen grünen Portal gebunden und steckt die Schnauze in
     ein Bündel Heu, das Jacquet klugerweise mitgebracht hat.
    Endlich habe ich Muße, Catie genauer zu beschreiben. Sie ist größer und weniger üppig als Miette, in La Roque müssen die Frauenzeitschriften
     und deren

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