Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
habe ich gesagt, und ich …«
    Ich schneide ihm das Wort ab.
    »Schämst du dich nicht, du ungezogener Lümmel!« sage ich mit lauter Stimme auf patois. »Das nimmst du sofort zurück, wir sind
     nicht gekommen, um zu den Leuten hier unhöflich zu sein.«
    »Gut, ist recht, ich nehme es zurück«, sagt Colin, der endlich auf das Spiel eingeht. »Anderseits«, fährt er fort, »hat er
     mich ›kleines Dreckstück‹ genannt.«
    »Das hast du gesagt?« frage ich und drehe mich zu Armand um, den ich streng mustere.
    »Er hat mich wütend gemacht«, sagt Armand.
    »Na hör mal, hör mal, du treibst es aber arg! Wo doch ›klei nes Dreckstück‹ viel schlimmer ist als ›kannst mir gestohlen |307| bleiben‹. Und schließlich sind wir hier die Gäste des Pfarrers von La Roque. Man darf es immerhin nicht übertreiben, Armand.
     Wir bringen euch eine Kuh, ein halbes Kalb, zwei Laib Brot und ein Kilo Butter, und du beschimpfst uns als kleine Dreckstücke!«
    »Bloß ihn habe ich kleines Dreckstück geschimpft«, sagt Armand.
    »Uns oder ihn, das ist das gleiche. Los, Armand, mach es wie er und nimm es zurück.«
    »Wenn dir daran liegt«, sagt Armand recht widerwillig.
    »Bravo!« sage ich, denn ich fühle, es wäre vielleicht unklug, meine Forderungen weiterzutreiben. »Na also, seht ihr! Jetzt,
     da ihr ausgesöhnt seid und wir in Ruhe reden können: Worum handelt es sich denn? Was ist das für ein Dekret?«
    Armand setzt es mir auseinander, was mir Zeit läßt, meine Erwiderung vorzubereiten.
    »Und du«, sage ich zu Armand, als er fertig ist, »hast das Dekret deines Pfarrers natürlich zur Geltung bringen und Colin
     daran hindern wollen, sein Materiallager zu räumen. Da, dem Dekret zufolge, sein Materiallager jetzt der Pfarrgemeinde gehört.«
    »Ganz richtig«, sagt Armand.
    »Nun gut, mein Junge«, sage ich, »ich gebe dir nicht schuld. Du hast nur deine Pflicht getan.«
    Überrascht und nicht ohne Mißtrauen blickt Armand mich an, seine weißen Wimpern flattern über den fahlen Augen. Ich fahre
     fort.
    »Allein, verstehst du, Armand, es gibt da eine Schwierigkeit, weil wir in Malevil auch ein Dekret erlassen haben. Und diesem
     Dekret gemäß gehören alle Güter, die zum Eigentum der Bewohner von Malevil gehörten, jetzt dem Schloß Malevil, wo auch immer
     sich diese Güter befinden. Colins Materiallager in La Roque gehört also jetzt Malevil. Ich hoffe, du wirst nicht das Gegenteil
     behaupten«, sage ich in strengem Ton zu Colin.
    »Ich behaupte nicht das Gegenteil«, sagt Colin.
    »Ich meine«, fahre ich fort, »das ist ein Sonderfall. Das Dekret deines Pfarrers ist nicht anwendbar, da Colin ja nicht Einwohner
     von La Roque, sondern von Malevil ist.«
    »Schon möglich«, sagt Armand arrogant. »Aber das hat der Herr Pfarrer zu entscheiden, nicht ich.«
    |308| »Nun gut«, sage ich und nehme ihn am Arm, um ihm einen angenehmen Abgang zu ermöglichen, »du wirst zu Fulbert gehen und ihm
     das in meinem Namen auseinandersetzen und ihm gleichzeitig mitteilen, daß wir da sind und daß es bereits spät ist. Ihr anderen
     fahrt bis zu neuer Weisung mit dem Aufladen fort. – Ohne mich zu rühmen«, sage ich, sobald wir uns ein paar Schritte entfernt
     haben, in vertraulichem Ton, »darf ich dir sagen, Armand, daß ich dich aus einer ziemlichen Klemme gezogen habe. Das sind
     harte Jungs, und der kleine Colin ist der härteste von allen, nur ein Wunder, daß er dir nicht den Schädel eingeschlagen hat.
     Weniger weil du ihn ›Dreckstück‹ genannt hast, verstehst du, sondern weil du ihn ›klein‹ genannt hast. ›Klein‹ verzeiht er
     nicht. Trotzdem, Armand«, sage ich und drücke ihm kräftig den Arm, »La Roque und Malevil werden nicht Krieg um diesen alten
     Kram führen, der niemand mehr nützen kann! Aber angenommen, Fulbert wollte das Recht Malevils auf Colins Materiallager nicht
     anerkennen und die Lage verschärft sich so, daß wir uns gegenseitig beschießen, wäre es doch zu dumm, sich dafür töten zu
     lassen, nicht wahr? Und wenn ihr eurerseits die Flinten aus dem Schloß an die Leute von hier ausgebt, ist es gar nicht so
     sicher, daß sie die Waffen auch gegen uns gebrauchen würden.«
    »Ich weiß nicht, was dir erlaubt, so etwas zu behaupten«, sagt Armand, der stehenbleibt und mich, bleich vor Angst und Zorn,
     ansieht.
    »Na, dann schau dich doch mal um, mein Junge. Euer Streit hat doch Lärm genug gemacht. Und nun schau nur! Schau! Kein Mensch
     auf der Straße. (Ich muß lächeln.)

Weitere Kostenlose Bücher