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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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übrigen?«
    »Ach, kein schlechter Kerl im Grunde, aber er hält es eben mit dem Glauben! Und er verehrt den Fulbert! Trotzdem, wenn er
     in Malevil wohnt, wirst du gut daran tun, mißtrauisch zu sein.«
    Ich sehe ihn an. »Er wird niemals in Malevil wohnen. Die Gefährten haben mich am Sonntagabend zum Geistlichen von Malevil
     gewählt.«
    Evelyne läßt meine Arme los, dreht sich um und mustert mich erschrocken, doch was sie aus meinem Gesicht liest, scheint sie
     zu beruhigen, denn sie nimmt gleich wieder ihre vorige Stellung ein. Marcel aber reißt Augen und Mund weit auf und bricht
     im Moment darauf in lautes Gelächter aus.
    »Hör mal, du bist richtig wie dein Onkel!« sagt er. »Und wie schade, daß du nicht in La Roque wohnst! Du hättest uns von diesem
     Ungeziefer befreit. Wohlgemerkt«, sagt er und nimmt wieder seine ernste Miene an, »wieweit es angebracht wäre, entscheidende
     Maßnahmen zu ergreifen, habe auch ich erwogen. |303| Hier aber kann ich nur auf Pimont zählen. Und wie soll Pimont einen Priester antasten!«
    Schweigend blicke ich ihn an. Fulberts Tyrannei muß schon sehr drückend sein, daß ein Mann wie Marcel auf solcherlei Gedanken
     kommt.
    »Hör mal«, sagt er, »hast du Fulbert nicht Brot mitgegeben, als er am letzten Sonntag von Malevil aufgebrochen ist?«
    »Brot und Butter.«
    »Siehst du, wir wissen es von Josepha. Die ist zum Glück geschwätzig.«
    »Das Brot war doch für euch alle.«
    »Laß nur, ich habe schon verstanden!« Er hält seine schwarzgegerbten Hände geöffnet vor sich hin. »Da siehst du’s«, sagt er,
     »da siehst du, wie es um uns steht. Wenn morgen Fulbert entscheidet, daß du krepieren sollst, krepierst du. Angenommen, du
     weigerst dich, die Messe zu hören oder zu beichten, bist du dran. Deine Ration nimmt ab. Er wird sie dir nicht entziehen,
     o nein! Er knapst sie dir ab. Nach und nach. Und wenn du meckerst, ist Armand da und stattet dir einen kleinen Hausbesuch
     ab. Oh, nicht bei mir!« fährt Marcel fort und richtet sich auf. »Vor mir hat Armand noch ein wenig Angst. Wegen dieses Dings
     hier.«
    Aus der Vordertasche seines Lederschurzes zieht er das rasierklingenscharfe Messer, mit dem er seine Sohlen zuschneidet. Er
     läßt es nur aufblitzen und steckt es gleich wieder zurück.
    »Hör mal, Marcel«, sage ich nach einer Weile. »Du und ich, wir kennen uns seit langer Zeit. Und du kanntest den Onkel, er
     hat dich geschätzt. Wenn du mit der Catie und Evelyne nach Malevil ziehen möchtest, würden wir dich sehr gern aufnehmen.«
    Evelyne dreht sich nicht um, doch umklammert sie meine Daumen mit beiden Händen und drückt meine Arme mit erstaunlicher Kraft
     über ihrer Brust zusammen.
    »Ich danke dir«, sagt Marcel, während die Tränen in seine schwarzen Augen treten. »Wirklich, ich danke dir. Aber annehmen
     kann ich nicht, aus zwei Gründen. Erstens gibt es da die Dekrete von Fulbert.«
    »Die Dekrete?«
    »O doch, stell dir vor: Der gnädige Herr erläßt Dekrete, ganz |304| allein, ohne sich mit jemand zu beraten. Und sonntags liest er sie uns von der Kanzel herunter vor. Erstes Dekret – ich weiß
     es auswendig –: In La Roque ist das Privateigentum abgeschafft, und alle unbeweglichen Güter, Lagerräume, Lebensmittel und
     Bedarfsgüter, die sich innerhalb der Umfassungsmauern befinden, gehören der Pfarre von La Roque.«
    »Nicht möglich!«
    »Warte, das ist nicht alles! Zweites Dekret: Kein Einwohner von La Roque hat das Recht, La Roque ohne Genehmigung durch den
     Rat der Pfarrgemeinde zu verlassen. Und dieser Rat – den er ernannt hat! – besteht aus Armand, Gazel, Fabrelâtre und ihm selbst!«
    Ich bin betroffen. Die Vorsicht, mit der ich mich Fulbert gegenüber bisher verhalten habe, erscheint mir jetzt recht überholt.
     Außerdem habe ich seit drei viertel Stunden genügend gesehen und gehört, um überzeugt zu sein, daß Fulberts Regime nur wenige
     Verteidiger finden würde, wenn sich die Beziehungen zu Malevil verschlechtern sollten.
    »Du kannst dir denken«, fährt Marcel fort, »daß mir der Rat der Pfarrgemeinde niemals die Genehmigung erteilen wird fortzuziehen.
     Ein Schuster wird gebraucht. Vor allem jetzt.«
    »Wir pfeifen auf Fulbert und seine Dekrete«, sage ich erbost. »Los, Marcel, wir ziehen um und verladen dich!«
    Betrübt schüttelt Marcel den Kopf.
    »Nein. Und ich will dir meinen wahren Grund sagen. Ich möchte die Menschen hier nicht im Stich lassen. Oh, ich weiß wohl,
     sie sind nicht sehr mutig.

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