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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Aber trotzdem, wäre ich nicht hier, wäre es noch schlimmer. Ich und Pimont, wir bremsen die Herrschaften
     immerhin ein wenig. Und ich möchte Pimont nicht allein lassen. Das wäre zu schäbig. Wenn du hingegen Catie und Evelyne mitnehmen
     möchtest, dann tu es. Fulbert setzt Catie ohnehin schon eine Weile zu, daß sie ihm im Schloß die Wirtschaft führen soll. Du
     hast mich verstanden! Abgesehen von Armand, der auch um sie herumschwänzelt.«
    Ich reiße meine Daumen aus Evelynes Händen, drehe die Kleine um sich selbst und packe sie an den Schultern. »Bist du imstande,
     deinen Mund zu halten, Evelyne?«
    »Ja.«
    »Dann hör zu, du wirst alles tun, was Catie dir sagt. Und zu keinem Menschen eine Silbe, verstehst du?«
    |305| »Ja«, sagt sie mit der ernsten Würde einer Gattin, die ihr Wort gibt.
    Der feierliche Ernst, mit dem sie ihre großen blauen, durch Ringe vergrößerten Augen auf mich richtet, erheitert und rührt
     mich; ich achte darauf, ihr beide Arme festzuhalten, damit sie mich nicht abermals umklammert, beuge mich vor und küsse sie
     rechts und links auf die Wange.
    »Ich zähle auf dich«, sage ich und stehe auf.
    In diesem Augenblick hört man von der Straße her laute Stimmen, dann Laufschritt auf dem Pflaster, und in dem kleinen Zimmer
     erscheint Catie, die mir keuchend schon von der Tür aus zuruft: »Rasch, kommen Sie! Armand will sich mit Colin prügeln!«
    Sie verschwindet gleich wieder. Ich gehe eilig aus dem Zimmer, aber auf der Schwelle bemerke ich, daß Marcel mir folgen will,
     und ich drehe mich um.
    »Da du doch hierbleiben willst«, sage ich auf patois, »ist es besser, du mengst dich nicht ein und paßt lieber auf, daß uns
     die Kleine nicht vor die Beine gerät.«
    Als ich den Wagen erreiche, steht es schon schlecht um Armand, er kann nur noch zetern. Jacquet und Thomas halten ihm beide
     Arme fest. (Thomas mit einem Polizeigriff.) Und Colin, rot wie ein kleiner Hahn, schwingt ein Stück Bleirohr über seinem Kopf.
    »Heda, was ist denn hier los?« frage ich im friedfertigsten Ton. Ich kehre Colin den Rücken und stelle mich zwischen ihn und
     Armand. »Nun aber genug, ihr beiden, laßt Armand los, damit er sich äußern kann!«
    Thomas und Jacquet gehorchen, sie sind im Grunde recht zufrieden über mein Eingreifen, denn sie halten Armand schon seit geraumer
     Weile fest, und da Colin sich nicht entschließt, ihn niederzuschlagen, befinden sie sich in heikler Lage.
    »Der da«, sagt Armand, ebenfalls sehr erleichtert, und zeigt auf Colin. »Dein Kumpel da hat mich beschimpft.«
    Ich sehe ihn mir an. Armand ist dicker geworden, seit wir uns gesehen haben. Wohl als einziger in La Roque. Er ist groß, größer
     sogar als Peyssou. Seine breiten Schultern und sein mächtiger Hals künden von viel Kraft. Und bei seinem Ruf brauchte er schon
     vor der Bombe nur in einem Tanzsaal zu erscheinen, damit der Saal sich leerte.
    |306| Mit dem Leeren von Tanzsälen hatte er übrigens kein Mädchen gefunden, das ihn geheiratet hätte, obwohl er im Schloß monatliche
     Bezahlung und dazu Wohnung, Heizung und Licht gratis bezog. Und so mußte er sich, ohne Ehefrau, mit alten Schachteln und allzu
     scharfen Sachen im Dorf zufriedengeben, was ihn noch völlig erbittert hat. Freilich ist er mit seinen blassen Augen, den völlig
     weißen Wimpern und Brauen, der zerquetschten Nase, dem vorstehenden Kinn und seinen Pickeln auch nicht sehr anziehend. Aber
     darauf kommt es schließlich nicht an. Auch der häßlichste Mann findet noch immer was zum Unterschlüpfen. Was an Armand, außer
     seiner Brutalität, Mißfallen erregt, ist, daß er die Arbeit nicht liebt. Nur Furcht zu erregen liebt er. Und man trägt es
     ihm nach, daß er sich wie ein Gutsverwalter und Jagdhüter aufführt. Überdies hat er sich eine halbmilitärische Uniform zusammengestoppelt,
     mit der er sich die Sympathien vollends verscherzt: eine alte Feldmütze, eine schwarze Samtjoppe mit vergoldeten Knöpfen,
     eine ebenfalls schwarze Reithose und Stiefel. Und die Jagdflinte. Vergessen wir nicht die Flinte. Auch wenn Schonzeit ist.
    »Er hat dich beschimpft?« frage ich. »Was hat er gesagt?«
    »Er hat gesagt: Du kannst mir gestohlen bleiben«, erklärt Armand mit Groll. »Du kannst mir gestohlen bleiben, du und dein
     Dekret.«
    »Das hast du gesagt?« frage ich und drehe mich um die eigene Achse. Daß ich Armand nun im Rücken habe, nütze ich aus, um Colin
     zuzuzwinkern.
    »Ja«, sagt Colin, noch immer rot vor Zorn, »das

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