Malevil
Brauen, seinem Vollmondgesicht, seinen Pickeln und seiner halbmilitärischen Uniform. Neben ihm mein schöner, mein armer Pharaon.
Ich streichle ihn und rede mit ihm. Trotz unserer strengen Sparmaßnahmen finde ich ein Stück Zucker in meiner Tasche, und
seine sanften Lippen schnappen es sofort |340| weg. Und als mit der Menou, die Gläser und Flaschen bringt, auch Momo eintrifft, vertraue ich ihm Pharaon an und lege ihm
nahe, dem Pferd den Zaum abzunehmen und eine Schüssel Gerste zu geben. Eine Verschwendung, die bei der Menou gleich ein Gebrummel
auslöst.
Da sitzen wir nun in der Küche des Torbaus, Meyssonnier und Peyssou haben ihre Flinten mitgebracht.
Armand, das volle Glas in der Hand, ist ziemlich verlegen, und ich entschließe mich, die Sache kurz zu machen.
»Ich bin sehr froh, dich zu sehen, Armand«, sage ich und trinke ihm zu, »denn gerade wollte ich einen Boten zu euch schicken,
um Marcel zu beruhigen. Der arme Marcel muß sehr besorgt gewesen sein.«
»Hier sind sie also?« sagt Armand, zwischen der sachbezogenen Frage und dem Ton des Vorwurfs schwankend.
»Aber natürlich, wo sollten sie sonst sein? Oh, die hatten sich ihren Streich gut ausgeklügelt! An der Kreuzung von La Rigoudie
haben wir sie mit ihren Koffern gefunden. Und da sagt die Große zu mir: Ich möchte vierzehn Tage bei der Großmutter bleiben.
Versetze dich an meine Stelle: Ich konnte es doch nicht übers Herz bringen, sie zurückzuschicken.«
»Sie hatten kein Recht«, sagt Armand bissig.
Das ist der Augenblick, ihm übers Maul zu fahren und dabei den Biedermannston beizubehalten. Ich hebe die Arme hoch.
»Kein Recht! Kein Recht! Du gehst aber ran, Armand! Kein Recht, vierzehn Tage bei der Großmutter zu bleiben?«
Thomas, Meyssonnier, Peyssou und die Menou betrachten Armand mit stummer Mißbilligung. Auch ich sehe ihn an. Wir sind für
die Familie! Die geheiligten Bande sind auf unserer Seite!
Armand steckt, um seine Verlegenheit zu verbergen, seinen breiten Rüssel ins Glas und trinkt aus. »Noch ein Glas, Armand?«
»Ich habe nichts dagegen.«
Die Menou brummt, aber sie bedient ihn. Ich stoße an, trinke aber nicht.
»Wenn sie etwas falsch gemacht haben«, sage ich, »dann nur, daß sie Marcel nicht um Erlaubnis gefragt haben.«
»Und auch nicht Fulbert«, sagt Armand, der schon sein zweites Glas halb ausgetrunken hat.
Diese Konzession werde ich ihm nicht machen.
|341| »Marcel hätte dann Fulbert informiert.«
Armand ist nicht so idiotisch, daß er die Nuance nicht verstünde. Aber er will in Malevil nicht von den Dekreten für La Roque
sprechen. Er trinkt bis zur Neige aus und stellt sein Glas hin. Momo wird sich überzeugen, kein Tropfen ist übriggeblieben.
»Schön, und nun?« fragt Armand.
»Nun«, sage ich und stehe auf, »in vierzehn Tagen bringen wir sie nach La Roque zurück. Das kannst du Marcel von mir bestellen.«
Armand sieht auf die Flasche, aber da ich keine Miene mache, ein drittes Glas anzubieten, steht er ohne ein Wort des Abschieds
oder Dankes auf und verläßt die Küche. Das ist pure Ungeschicklichkeit, meine ich: Wenn er den Leuten nicht angst machen kann,
weiß er nicht, wie er sich verhalten soll.
Momo ist schon dabei, einem glücklichen Pferd die Kandare wieder anzulegen. Die Schüssel, in der die Gerste war, könnte nicht
gründlicher ausgeleckt sein. Gebieter und Reittier verlassen uns, beide gelabt, das Pferd voll Dankbarkeit. Es wird Malevil
nicht vergessen.
»Auf Wiedersehen, Armand.«
»Auf Wiedersehen«, brummt der Gebieter.
Ich schließe das Tor nicht sofort. Ich sehe ihm nach. Ich möchte ihn außer Hörweite haben, ehe Thomas explodiert. Langsam
drücke ich die beiden Torflügel zu, schiebe die Riegel vor und drehe den riesigen Schlüssel im Schloß um.
Es kommt noch heftiger, als ich vermutet hätte.
»Was soll diese Schweinerei bedeuten?« schreit Thomas und kommt auf mich zu.
Ich richte mich auf und sehe ihn wortlos an, kehre ihm dann den Rücken, lasse ihn stehen und gehe in Richtung Zugbrücke. Ich
höre noch, wie Peyssou ihn heruntermacht.
»Oje, mein Junge! Da bist du nun so gelehrt und doch so ein Rindvieh! Denkst du etwa, Emmanuel gibt die kleinen Mädchen zurück?
Da kennst du ihn schlecht!«
»Und wozu dieser ganze Fickfack?« schreit Thomas (und ob er schreit!).
»Du brauchst ihn bloß zu fragen«, sagt Meyssonnier grob.
Ich höre jemanden hinter mir herlaufen. Da ist Thomas schon. Er geht auf gleicher Höhe mit mir. Ich
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