Malevil
halten, entschied ich mich, ein Beispiel zu geben
und mich für diese Nacht mit Meyssonnier dort niederzulassen.
Nichts wirkt demoralisierender als eine Nachtwache. Es ist pure Routine und Disziplin. Man ist da, um zu warten, daß etwas
geschieht, und die meiste Zeit geschieht nichts. Thomas und Catie konnten während ihrer Postennacht wenigstens Zuflucht zum
Liebesspiel nehmen, wenn auch der Bunker, trotz der Sorgfalt, mit der Meyssonnier ihn hergerichtet hatte, nicht sehr günstig
dafür war. Wie in den Rhunes waren die Wände des Grabens durch Faschinen gestützt. Und der Boden hatte, außer seinem Lattenrost,
noch zusätzlich eine Neigung und eine Rinne erhalten, die das Regenwasser durch ein Kanalisationsrohr |403| zum Abhang abfließen ließ. Das Dach war nicht bloß aus Astwerk verfertigt, sondern durch eine Blechplatte abgedeckt, die ihrerseits
von einer Erdschicht überlagert und hier und dort, wie der Waldboden nach dem verspäteten Ausbruch des Frühlings, mit Grasbüscheln
besteckt war. Und in der Umgebung des Bunkers hatten wir belaubtes Buschwerk eingepflanzt. Ohne den Blick zu behindern, tarnte
es den Bunker so gut, daß es von dem nach Malevil führenden Weg aus auch mit dem Fernglas schwierig war, ihn von seiner Umgebung
aus versengten Baumstümpfen und grünenden Büschen zu unterscheiden.
Um die Überwachung und das Schießen in Richtung der Palisade zu ermöglichen, war der Bunker nach Norden und Osten in Brusthöhe
offen. Unglücklicherweise kamen auch die Regenschauer und die vorherrschenden Winde aus Norden und Osten, so daß man sich
trotz des vorspringenden Daches von den Gewittern durchnässen lassen mußte, die sich mit Vorliebe in der Nacht entluden.
Meyssonnier und ich hatten uns beim Wachen und Schlafen auf die Weise abgewechselt, daß ich mir die Zeit der Morgendämmerung
vorbehielt, meiner Meinung nach der am meisten gefährdete Zeitraum, da ja der Feind genötigt ist, etwas von seinem Ziel zu
erkennen, um sich ihm annähern zu können.
Ich hörte nicht das geringste Geräusch. Alles ging wie in einem Stummfilm vor sich. Ich glaubte auf dem Weg nach Malevil zwei
Gestalten zu erkennen, die sich der Palisade näherten. Ich sage »ich glaubte«, weil ich es zuerst nicht wahrhaben wollte.
In siebzig Meter Entfernung ist ein Mensch wahrhaftig ein sehr kleines Gebilde, und wenn sich dieses graue Gebilde im Zwielicht
des dämmernden Tages geräuschlos vor dem eintönigen Grau der Felswand durch den Nebel bewegt, fragt man sich, ob es sich nicht
um Einbildung handelt. War ich nicht obendrein ein wenig eingeschlummert? Ich vermute es, denn die Berührung des Feldstechers
mit meinen Augen ließ mich zusammenfahren, und während ich ihn einzustellen versuchte, begann ich trotz der Kühle des frühen
Morgens sofort zu schwitzen. Gleichwohl, die Erde mußte sich schon wieder erwärmen. Daher all die Dünste, die aus dem Boden
stiegen, sich in den Mulden zusammenballten und sich an der Felswand zerfaserten. Dennoch gelang es mir, das Blickfeld zu
erfassen, |404| indem ich mich nach der Palisade orientierte und von dort, der Felswand folgend, das Okular langsam nach Westen bewegte.
Verraten wurden sie durch ihre Gesichter. Ich sah zwei runde, rosige Fleckchen, die sich von dem umgebenden Grau abhoben.
Erstaunlich, mit welcher Deutlichkeit diese zwei Fleckchen, trotz des Nebels und des Halbdunkels, sichtbar wurden, während
die Körper in der Kleidung von neutraler Farbe viel besser mit dem Felsen verschmolzen. Dennoch erriet ich jetzt, da ich mich
nach den rosa Flecken orientierte, ihre Umrisse.
Langsam und, wie es mir schien, so eng wie möglich an die steinige Wand gedrückt, stiegen sie den Weg nach Malevil hinauf.
Jetzt konnte ich ihre Körpergrößen unterscheiden. Der eine erschien viel größer und athletischer als der andere. Beide hielten
ein Gewehr frei in der Hand, und diese Gewehre verwunderten mich, denn sie sahen nicht wie Jagdflinten aus.
Ich rüttelte Meyssonnier wach und legte ihm sofort, als er seine Augen öffnete, die Hand über den Mund.
»Sei still«, sagte ich leise. »Da sind zwei Gestalten vor der Palisade.«
Er blinzelte, zog dann meine Hand von seinem Mund.
»Bewaffnet?« hauchte er.
»Ja.«
Ich gab ihm den Feldstecher. Meyssonnier stellte ihn auf sein Auge ein, dann sagte er etwas, aber so leise, daß ich ihn nicht
verstand.
»Was sagst du?«
»Sie haben kein Gepäck«, sagte er, während er mir mein
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