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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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fallenlosen Streifen brachte. Diese Operation
     wiederholte ich bis zum Torbau noch drei- oder viermal. Peyssou und Meyssonnier gingen hinter mir her, ohne ein Wort zu sagen.
     Meyssonnier, weil er nach dem Ausräumen |409| der Taschen des Toten keine Lust hatte zu sprechen, und Peyssou, weil ich ihn angeranzt hatte.
    Auf dem Burgwall am Torbau standen zwei von den hölzernen Läden offen, mit denen die einstigen Schießscharten überdeckt waren,
     und ich ahnte Gesichter dahinter. Ich hob den Kopf und drückte einen Finger auf die Lippen.
    Am Torbau öffnete Colin die Pforte. Ich wartete, bis er sie wieder geschlossen hatte, ließ dann den Arm des Gefangenen los
     und zog Meyssonnier beiseite.
    »Führe du den Gefangenen in den Wohnbau«, flüsterte ich, »und laß ihn dabei im Zickzack gehen, aber übertreibe nicht. Ich
     komme dir nach.«
    Sobald sich Meyssonnier mit dem Gefangenen entfernt hatte, gab ich Colin und Peyssou einen Wink, ihnen im Abstand zu folgen,
     aber nicht zu sprechen.
    Die beiden Alten, dazu Miette, Catie, Evelyne, Thomas und Jacquet kamen über die Steintreppe vom Wall herunter. Ich gab ihnen
     ein Zeichen, nicht zu sprechen. Ich wartete, bis sie heran waren.
    »Thomas, Miette und Catie bleiben auf den Wällen«, sagte ich leise. »Evelyne auch. Jacquet, gib Miette dein Gewehr! Du kommst
     mit uns. Menou und Falvine auch.«
    »Und warum ich nicht?« fragte Catie.
    »Dein Warum wirst du dir für nachher aufsparen«, sagte Thomas trocken.
    Evelyne biß sich auf die Lippen, sah mich aber an, ohne ein Wort zu sagen.
    »Das ist nicht recht«, zischte Catie wütend. »Alle gehen den Gefangenen ansehen! Nur wir nicht!«
    »Ganz richtig«, erklärte ich. »Ich möchte nicht, daß der Gefangene euch sieht, Miette und dich.«
    »Also rechnest du damit, ihn freizulassen«, sagte Catie lebhaft.
    »Wenn ich kann, ja.«
    »Das ist vielleicht eine Art!« sagte Catie empört. »Man läßt ihn frei, und wir haben ihn nicht einmal gesehen!«
    »Du kannst mich sehen!« sagte ich zornig. »Genügt dir das nicht? Hast du es nötig, diesen Burschen zu bezaubern? Und einen
     Feind noch obendrein!«
    »Und wer sagt, daß ich ihn bezaubern will?« sagte Catie wütend. |410| Tränen traten ihr in die Augen. »Ich habe es satt, das immerzu wiedergekäut zu bekommen!«
    Miette, die diesen ganzen Auftritt mit heftiger Mißbilligung verfolgte, machte eine unerwartete Geste: Sie schlang Catie mit
     einemmal den linken Arm um die Schultern und drückte ihr die Hand auf den Mund. Catie wehrte sich wie eine Raubkatze. Aber
     Miette, beherrscht und stumm, hielt sie fest.
    Ich gewahrte, daß Evelyne mich ansah. Sie sah mich bescheiden und mit Lob heischendem Ausdruck an. Sie nämlich gehorchte.
     Und ohne Widerrede. Ich nahm mir die Zeit, der kleinen Pharisäerin zuzulächeln.
    »Kommst du, Jacquet?«
    Jacquet war in Verlegenheit. Ich hatte ihn angewiesen, Miette sein Gewehr zu überlassen, und Miette war mit beiden Händen
     beschäftigt.
    »Gib deine Flinte an Thomas«, sagte ich über die Schulter hinweg, während ich mich schon entfernte.
    Ich hörte hinter mir herlaufen. Es war Jacquet.
    »Immer schon ist sie so gewesen«, sagte er halblaut, als er neben mir angelangt war. »Mit zwölf Jahren schon. Immer eine Katze.
     So hat das auch im Etang mit dem Vater angefangen. Hat ihr aber nicht zur Lehre gereicht. Oh«, fügte er hinzu, »sie ist nicht
     so prima wie Miette! Oh, bestimmt nicht!«
    Ich sage nichts. Ich will mich nicht zu einem Urteil hinreißen lassen, das weitergegeben werden könnte. Ich bin auch sehr
     bestürzt. Thomas hat begriffen, nicht aber Catie. Noch nicht. Das undisziplinierte Verhalten dauert an.
    Im Saal des Wohnbaus sitzt mit dem Rücken zum Kamin der Gefangene mit verbundenen Augen am unteren Ende des Tisches auf dem
     Platz von Momo-Jacquet. Der Tag ist angebrochen, aber noch ist die Sonne nicht aufgegangen. Das dem Gefangenen zunächst liegende
     Fenster steht halb offen. Die Luft ist lau. Wieder wird es ein schöner Tag werden.
    Ich gebe den anderen ein Zeichen, sich zu setzen. Das Gewehr zwischen den Beinen, nehmen sie ihre gewohnten Plätze ein. Die
     beiden Meninas bleiben stehen, die Falvine verhält sich endlich einmal still. Es ist Zeit für das Frühstück, und es steht
     bereit. Die Milch auf dem Herd hat gekocht, die Schalen stehen auf den Tischen, das Brot liegt da, dazu die hausgemachte Butter.
     Plötzlich spüre ich Leere im Magen.
    |411| »Colin, nimm ihm die Binde ab.«
    Die Augen

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