Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
auszukundschaften?« sage ich barsch.
    »Nein. Maurice und ich wollten euch warnen und dann desertieren.«
    »Warum hast du es nicht getan?«
    Darauf antwortet er ohne einen Schatten von Unsicherheit. »Weil ich nicht Maurice bei mir hatte. Das ist so gekommen:
    Heute morgen verlangt Vilmain vier Mann für zwei Spähunternehmen, das eine nach Courcejac, das andere nach Malevil. Nur Maurice
     und ich treten aus dem Glied. Zwei Neue. Da hat Vilmain die Altgedienten angebrüllt, und schließlich haben sich zwei von ihnen
     gemeldet. Vilmain hat mich an den einen und Maurice an den andern gehängt. Jetzt ist Maurice dabei, Courcejac zu erkunden.«
    »Etwas verstehe ich nicht. Heute morgen jagt Vilmain einen Spähtrupp nach Courcejac, den andern nach Malevil. Weshalb nicht
     auch nach La Roque?«
    Eine Pause. Hervé sieht mich an. »Wir sind doch in La Roque«, sagt er langsam.
    »Was!« sage ich und erhebe mich halb von meinem Sitz. »Was! Ihr seid in La Roque? Seit wann?«
    Meine Frage hat keinen Sinn. Der Zeitpunkt, an dem sich Vilmain dort festgesetzt hat, ist ohne Bedeutung. Von Bedeutung ist,
     daß er sich dort befindet. Mit seinen Gewehren, seinen kriegsgewohnten Burschen, mit seiner Panzerfaust und seiner Erfahrung.
    Ich sehe die Gefährten erbleichen.
    »Gestern abend«, sagt Hervé, »bei Sonnenuntergang hat die Bande La Roque genommen.«
    Ich stehe auf und entferne mich vom Tisch. Ich bin niedergeschmettert. Am frühen Morgen des Vortages habe ich die Verteidigungsanlagen
     von La Roque erkunden lassen, und am Abend in der Dämmerung wird La Roque eingenommen, aber |414| nicht von uns! Und hätte ich nicht heute morgen entgegen Meyssonniers Meinung, der meine blödsinnige Order respektiert sehen
     wollte, die Idee gehabt, einen Gefangenen zu machen, hätte ich mich mit meinen Gefährten in der Gewißheit eines leichten Sieges
     vor den Mauern von La Roque gezeigt. Unglücklicherweise habe ich viel Vorstellungsvermögen und sehe uns im offenen Gelände
     von dem verheerenden Feuer aus siebzehn Armeegewehren bestrichen.
    Ich fühle meine Beine zittern. Ich kehre dem Tisch den Rücken und trete, die Hände in den Taschen, ans Fenster. Ich mache
     beide Flügel ganz weit auf und hole kräftig Atem. Ich vermute, der Gefangene beobachtet mich, und strenge mich an, meine Ruhe
     wiederzugewinnen. Unser Leben hat von einem winzigen Zufall abgehangen, eigentlich von zwei Zufällen: einem unglücklichen
     und einem glücklichen, wobei der zweite den ersten aufhebt. Vilmain nimmt den Ort, den ich angreifen soll, am Tage zuvor ein,
     und ich nehme, einige Stunden bevor ich selbst zum Angriff aufbreche, einen seiner Leute gefangen. Daß unser Leben von so
     absurd verknüpften Zufällen abhängt, macht uns bescheiden.
    Mit beherrschtem Gesicht kehre ich an meinen Platz zurück. »Fahr fort«, sage ich kurz angebunden.
    Hervé erzählt uns von der Einnahme von La Roque. Bébelle hatte sich bei Einbruch der Nacht allein vor dem Südtor eingefunden,
     als Frau verkleidet, ein kleines Bündel in der Hand. Der Mensch, der das Tor bewachte – wir sollten später erfahren, daß es
     sich um Lanouaille handelte –, ließ ihn eintreten, und sobald Bébelle festgestellt hatte, daß Lanouaille allein war, schnitt
     er ihm die Gurgel durch. Dann öffnete er den übrigen das Tor. Der Ort ist ohne einen Schuß gefallen.
    Meyssonnier bittet mich ums Wort.
    »Wieviel 36er-Gewehre habt ihr?« fragt er und wendet sich nach dem Gefangenen um.
    »Zwanzig.«
    »Und reichlich Munition?«
    »Ja, ich glaube. Die Zuteilung ist kaum beschränkt. Es ist Vilmains Prinzip, stets zwanzig Mann für seine zwanzig Flinten
     zu haben.«
    Auf Meyssonniers Frage hin beschreibt Hervé bis aufs kleinste die Panzerfaust. Als er damit fertig ist, schalte ich mich ein.
    |415| »Etwas mußt du mir noch genauer erklären. Seid ihr nun zwanzig oder siebzehn?«
    »Im Prinzip sind wir zwanzig. Aber seit Fumel haben wir drei Mann verloren. Was uns auf siebzehn herunterbringt. Also siebzehn.
     Jetzt nur noch sechzehn, da du gerade einen von ihnen getötet hast! Und mich gefangengenommen hast, fünfzehn!«
    Sein Ton läßt keine Täuschung zu, er ist sehr froh, sich unter uns zu befinden.
    »Kennst du«, frage ich nach einer Weile, »diesen Maurice schon lange?«
    »Das will ich meinen!« sagt Hervé und wird munter. »Ein Freund aus der Kindheit. Ich war bei ihm in den Ferien, als die Bombe
     explodiert ist.«
    »Magst du ihn gern?«
    »Das kannst du glauben!« sagt

Weitere Kostenlose Bücher