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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Während die Frauen den Tisch abräumen, zieht Peyssou mich in den Hof.
    »Weißt du«, sagt er mit leiser Stimme, »ich möchte beichten.«
    »Jetzt?«
    »O ja!«
    Ich hebe die Arme.
    »Aber deine Sünden, mein guter Peyssou, die kenne ich auswendig!«
    »Es gibt da eine neue«, sagt Peyssou. »Eine schwere.«
    |436| Schweigen. Schade, es ist zu dunkel, als daß ich sein Gesicht richtig sehen könnte. Wir sind etwa fünfzehn Meter vom Burgwall
     entfernt, und ich kann nicht einmal Jacquet auf dem Rondengang sehen.
    »Eine schwere?«
    »Nun«, sagt Peyssou, »ziemlich.«
    Schweigen. Wir gehen durch die Dunkelheit mit kurzen Schritten auf die Maternité zu.
    »Catie?«
    »Ja.«
    »In Gedanken?«
    »Ja doch!« sagt Peyssou mit einem Seufzer.
    Über diesen Seufzer mache ich mir Gedanken. Wir erreichen die Maternité, und Amarante, die mich nicht sieht, aber gewittert
     hat, stößt ein zärtliches »Pff« durch die Nüstern.
    Ich trete heran. Tastend suche ich mit der Hand nach dem schweren Kopf der Stute, um ihn zu streicheln. Er ist warm und sanft
     unter meinen Fingern.
    »Ist sie allzu zutraulich?«
    »Ja.«
    »Und sie küßt dich?«
    »Ja, häufig.«
    »Wie küßt sie dich?«
    »Gut«, sagt Peyssou.
    »Wirft sie dir die Arme um den Hals und reizt dich mit kleinen Küssen?«
    »Woher weißt du das?« fragt Peyssou mit Überraschung in der Stimme.
    »Und dabei drückt sie sich fest an dich?«
    »Oho!« sagt Peyssou. »Mehr als das! Sie wetzt sich an mir!«
    In diesem Augenblick habe ich eine sehr genaue Vorstellung davon, was Fulbert tun würde, wenn er in meiner Haut stäke. Eigentlich
     ein brauchbares Kriterium: daran denken, was Fulbert unter gegebenen Umständen tun würde, und das Umgekehrte tun.
    »Du bist nicht der einzige, weißt du.«
    »Was!« sagt Peyssou. »Du auch?«
    »Auch ich.«
    Noch eine kleine Anstrengung. Treiben wir den Antifulbertismus auf die Spitze.
    |437| »Und bei mir«, sage ich, »ist es noch weit schlimmer.«
    »Weit schlimmer?« sagt Peyssou echoartig.
    Ich erzähle ihm, wie meine Mittagspause verlaufen ist. Ich lehne mich, um mit ihm zu sprechen, mit dem Rücken an die Scheidewand
     der Box, und Amarante legt mir den Kopf auf die Schulter. Während ich rede, kraule ich ihr mit der rechten Hand die Kinnlade.
     Sie, die doch den Hang zum Krippenbeißen hat, schnappt mir mit den Lippen ein wenig nach dem Hals, ohne zu beißen.
    »Na siehst du«, sage ich, »du bist beichten gekommen, und nun beichte ich.«
    »Ich aber«, sagt Peyssou, »kann dir keine Absolution erteilen.«
    »Das zählt nicht«, sage ich rasch. »Was zählt, ist, daß du einem Kameraden sagst, was dich bedrückt, und es zuläßt, daß der
     Kamerad dich verurteilt.«
    Schweigen.
    »Ich verurteile dich doch nicht«, sagt Peyssou. »An deiner Stelle hätte ich’s ebenso gemacht.«
    »Nun gut«, sage ich, »damit hättest du gebeichtet. Und ich auch.«
    Ich sage ihm nicht, daß er sich nur allzubald »an meiner Stelle«, wie er sagt, befinden wird. Der Gedanke daran macht mich
     eifersüchtig. Nun gut, dann werde ich eben eifersüchtig sein, das ist alles, und wie Thomas werde ich meine Eifersucht zügeln.
     Diese Besitzerhaltung werden wir früher oder später ohnehin ablegen müssen, wenn wir in Malevil in Frieden leben wollen.
    »Weißt du«, sagt Peyssou, »Catie und du, das hätte ich nie gedacht, ich glaubte, da gäbe es nur Evelyne.«
    Und da ich schweige, redet er weiter.
    »Nicht, daß ich da irgend etwas unterstellen möchte.«
    »Daran tust du gut.«
    »Nein, nein«, sagt Peyssou, »nach meiner Meinung wäre das eher Papa und Töchterlein.«
    »Auch das nicht«, sage ich trocken.
    Er, der so überaus höflich ist, schweigt erschrocken, daß er sich auf so unsicheres Gelände vorgewagt hat. Ich nehme ihn am
     Arm, und er läßt ihn sogleich anschwellen, um mich seinen Bizeps fühlen zu lassen. Der alte Peyssou. Es ist eine Gewohnheit,
     die ihm aus den Zeiten des Zirkels geblieben ist.
    |438| »Gehen wir hinein«, sage ich. »Sie erwarten uns sicher schon.«
    Ich weiß wohl, daß Peyssou eine Absolution in aller gehörigen Form vorgezogen hätte. Ich erteile sie möglichst selten. Jedesmal,
     wenn beispielsweise die Menou sie von mir verlangt, fühle ich mich unbehaglich. Aber dazu habe ich mich bereits geäußert.
    Der Tisch ist abgeräumt, von Krümeln gesäubert und gewischt. Sein schönes dunkles Nußholz glänzt. Vor mir ein großes Glas
     voll Wein. Und auf einem Teller Brotscheiben, die die Menou eben

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