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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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denke, antwortet er mir mit gewohnter Ernsthaftigkeit: »Es ist unsere Nacht der Bereitschaft.«
    Ich hätte diesen Ausdruck nicht verwendet, weil ich ihn zu dramatisch finde, aber im Grunde ist er treffend. Ein Priester
     vom Fach würde von Sammlung sprechen. Obgleich durch Wiederkäuen verblaßt, ist es ein schönes Wort. Man kann nahezu sehen,
     was es beschreibt: Ein jeder kehrt, nachdem er sich verstreut hat, bei sich ein und sammelt sich wieder. Catie, zum Beispiel,
     für gewöhnlich so wirbelig, denkt im Augenblick nicht an das, was sie aus ihrem Körper und dem Körper anderer schöpfen kann.
     Sie denkt einfach nach. Und da sie das nicht gewöhnt ist, sieht sie recht ermüdet aus.
    Um diesen Tisch finden sich Ernst und die Sorge um die anderen. Und auch Mut. Mut, still zu sein und unserem Gast von heute
     abend ins Antlitz zu sehen. Niemand hat Lust, ihn zu nennen, aber er ist da.
    Thomas, dessen Gesicht belebt und gerötet war, als er uns seinen Bericht erstattete, ist jetzt ein wenig bleich. Bébelle zu
     töten hat ihn erschüttert. Vielleicht denkt er auch daran, daß nur ein paar Zentimeter fehlten, und die Spitze eines Messers
     hätte ihn von diesem Tisch verbannen können, um den wir, so zerbrechlich und so sterblich und ohne eine andere Kraft als unsere
     Freundschaft, versammelt sind.
    Sobald die Menou kommuniziert hat, bitte ich sie, Jacquet vom Burgwall zu holen. Sie ist sehr erstaunt, denn es kann nicht
     die Rede davon sein, ihn abzulösen. Dennoch gehorcht sie, und sobald sie draußen ist, bitte ich Thomas, der gerade den Teller
     in der Hand hält, ein Stück Brot mehr zu nehmen. Ich fordere ihn auch auf, Jacquet abzulösen, sobald er hier ist.
    Als alles beendet ist, beschließen wir, daß wir alle – außer den Nichtkämpfern Falvine, Evelyne und der Menou, die in den
     ersten Stock des Wohnbaus schlafen gehen sollen – die Nacht im Torbau verbleiben werden. Hier sind fünf Betten vorhanden;
     mehr benötigen wir nicht, denn Colin und Peyssou |441| werden in finsterer Nacht aufbrechen und ihren Posten im Bunker beziehen, und ich halte es nicht für notwendig, mehr als eine
     Schildwache auf den Wall zu stellen. Evelyne findet es sehr bitter, von mir getrennt zu werden, aber sie gehorcht ohne Widerrede.
    Dieser doppelte Abmarsch – der zwei Männer zum Bunker und der drei Nichtkämpfer in den Wohnbau – vollzieht sich rasch, ordentlich
     und mit einem Minimum an Geräuschen. Sobald wir unser fünf sind, Miette, Catie, Jacquet, Meyssonnier und ich, und Thomas bereits
     auf dem Burgwall ist, trage ich auf einem Stück Papier die Reihenfolge der Ablösung ein und stecke den Zettel, nachdem ich
     die Flamme abgedreht habe, unter den Lampensockel. Ich habe mir die Wache um vier Uhr morgens vorbehalten, und ich habe auch
     angeordnet, daß ich bei jeder Ablösung geweckt werde. Diese Verpflichtung wird mir beschwerlich werden, aber ich rechne damit,
     daß sie den Posten wach halten wird. Ich habe Jacquet gebeten, mir eine Matratze herunterzubringen, und ich lege mich in einen
     Winkel der Küche. Die übrigen vier verteilen sich über die zwei Etagen des Torbaus, jeder behält seine Waffe am Kopfende seines
     Bettes und schläft voll angekleidet.
    Ich selbst schlafe in dieser Nacht wenig, oder ich glaube doch wenig zu schlafen, was auf dasselbe hinausläuft. Ich habe Träume
     à la Bébelle. Ich verteidige mich gegen Individuen, die mich hetzen, und mein Gewehrkolben durchschlägt ihnen wiederum den
     Schädel, ohne ihnen weh zu tun. In den Augenblicken meines Wachseins, in denen ich, am Anfang wenigstens, das Gefühl habe,
     mich besser auszuruhen, fällt mir ein, daß ich schwerwiegende Unterlassungen begangen habe: Für den Fall eines allgemeinen
     Alarms habe ich nicht jedem einzelnen seinen Platz auf den Wällen oder im Torbau angewiesen. Auch nicht die Kampfziele bezeichnet.
    Ein anderes Problem, das ich nicht ins Auge gefaßt habe: die Verbindung zwischen dem Bunker bei den Sept Fayards und dem Burgwall.
     Es ist unerläßlich, daß man uns aus dem Bunker, wenn man einen Trupp an die Palisade herankommen sieht, durch ein Signal warnt,
     das von den Angreifern nicht aufgefangen werden kann. Auf diese Art würden wir kostbare Sekunden für die Aufstellung der Kämpfer
     gewinnen.
    Dieses Problem wälze ich im zweiten Teil der Nacht in meinem |442| Kopf, ohne eine Lösung zu finden. Ich weiß, daß es der zweite ist, denn der Anweisung entsprechend, hat mich Miette geweckt,
     und dann

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