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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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aufgeschnitten hat. Mechanisch zähle ich sie ab. Es sind
     zwölf. Sie hat Momo mitgerechnet.
    Der Tisch im Torbau ist um einiges kleiner als der im Wohnbau. Niemand sagt etwas. Wir sitzen sehr eng, unsere Ellbogen berühren
     einander. Wir alle haben den Irrtum der Menou bemerkt, und jeden von uns erinnert er daran, daß die Gefährten schon morgen
     vielleicht das eigene Gedeck zum Abendessen wegnehmen müssen. Dieser Gedanke deprimiert uns. Nicht so sehr die Vorstellung
     zu sterben als die Vorstellung, daß man nicht mehr bei den andern sein wird.
    Bevor ich die Kommunion erteile, sage ich einige Worte, die nichts Rhetorisches und schon gar nichts Salbungsvolles enthalten.
     Dagegen achte ich darauf, im gleichmäßigsten Tonfall zu sprechen. Ich bemühe mich nicht um Beredsamkeit. Ich bemühe mich sogar
     um das Gegenteil: ohne jeden Effekt zu vermitteln, was mir durch den Kopf geht.
    »Ich meine«, sage ich, »was wir in Malevil tun, hat den Sinn, daß wir zu überleben versuchen, indem wir unsere Nahrung aus
     der Erde und vom Vieh gewinnen. Umgekehrt haben Leute wie Vilmain und Bébelle eine völlig negative Auffassung vom Dasein.
     Sie versuchen nicht, aufzubauen. Sie morden, sie plündern, sie brandschatzen. Malevil zu erobern bedeutet für Vilmain, eine
     Basis für seine Raubzüge zu bekommen. Wenn die Gattung Mensch fortbestehen soll, wird sie es kleinen menschlichen Gemeinschaften
     wie unserer zu verdanken haben, die versuchen, einen Keim von Gesellschaft zu reorganisieren. Personen wie Vilmain und Bébelle
     sind Schmarotzer und Raubtiere. Sie müssen ausgerottet werden. Jedoch«, fahre ich fort, »wir werden nicht notwendigerweise
     gewinnen, nur weil unsere Sache gut ist. Ebensowenig genügt es zu sagen: Ich bete zu |439| Gott, er möge uns den Sieg bringen! Allein deshalb wird uns der Sieg noch nicht zuteil werden.«
    Diese Äußerung aus dem Munde des Seelsorgers von Malevil verwundert manche von uns. Aber ich weiß wohl, warum ich sie mache,
     und ich rede weiter.
    »Um zu siegen, ist ein ungeheures Aufgebot von Wachsamkeit erforderlich. Auch viel Phantasie ist notwendig. Ihr habt mich
     für den Fall von Gefahr zu euerm Anführer gemacht; das entbindet euch nicht davon, eure eigene Erfindungskraft zu bemühen.
     Wenn euch Kniffe, Kriegslisten, Taktiken oder Fallen in den Sinn kommen, an die wir bisher nicht gedacht haben, sagt es mir.
     Und wenn uns der Gegner die Zeit läßt, werden wir sie besprechen.«
    Gern wäre ich bei diesem sachlichen Ton geblieben. Aber ich überlege es mir anders. Im Stehen und mit beiden Händen auf den
     Tisch gestützt, sehe ich meine Gefährten an, die unter der Lampe sitzen. Sie sitzen so eng beisammen, als wären sie zusammengeschweißt.
     Gleichsam ein einziger Körper. Die Gesichter sind angespannt und ein wenig bang, aber das Glück des Beisammenseins, das uns
     allen beschert ist, überwältigt mich, und ich möchte ihm auch Ausdruck verleihen.
    »Ihr kennt die heimische Redensart: Die einen machen, was die andern sind. (Ich sage das vorerst auf patois und wiederhole
     es dann für Thomas auf französisch.) In Malevil trifft es sich, daß wir in dieser Hinsicht großes Glück haben. Ich glaube
     nicht zu irren, wenn ich behaupte, die Zuneigung ist unter uns so groß, daß hier keiner gern weiterleben möchte, wenn er sich
     ohne die anderen wiederfinden müßte. Darum also bitte ich Gott: daß wir uns, nach errungenem Sieg, in Malevil alle heil und
     sicher wiederfinden mögen.«
    Ich weihe das Brot und den Wein. Das Glas, aus dem ich getrunken habe, wird herumgereicht und auch der Teller. Das vollzieht
     sich in tiefer Stille. Ich selbst ermesse den ganzen Abstand zwischen den Worten, die ich eben ausgesprochen habe, und der
     tiefen Rührung, die ich empfinde. Dennoch scheint mir, daß sich diese Rührung auf die eine oder andere Art auf die anderen
     zu übertragen vermochte. Ich merke es an der Schwere der Blicke, an der Langsamkeit der Gebärden. Die Betonung habe ich in
     meiner Ansprache auf die Zukunft des Menschen gelegt, damit auch so entschiedene Atheisten wie |440| Meyssonnier und Thomas an der gemeinsamen Hoffnung teilhaben können. Schließlich ist es nicht nötig, an Gott zu glauben, um
     das Gefühl für das Göttliche zu haben. Dieses kann sich in Malevil auch durch die Bande von Mensch zu Mensch umschreiben lassen.
     Meyssonnier blinzelt, als er sein Teil vom Wein trinkt, und als ich mich zu ihm beuge, um ihn zu fragen, was er von alledem
    

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