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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Gegenteil einig darüber, daß wir es beim Alltäglichen bewenden lassen. Nach zwei Stunden Marsch setzen wir uns zum
     Verschnaufen auf ein paar Grasbüschel nieder. Aus dieser erhöhten Position haben wir die Straße von La Roque im Blickfeld.
     Hingegen würde uns jemand, der auf der Straße einherkäme, selbst wenn wir zu Pferde wären, in dem dichten Blattwerk des Unterholzes
     nicht bemerken können. Sehen, ohne gesehen zu werden, pflegt Meyssonnier zu sagen.
    »Ich glaube, wir werden es schaffen«, sagt er.
    Abgesehen davon, daß er blinzelt und daß sein schmales Gesicht unter Einwirkung der Spannung noch länger erscheint, ist er
     so ruhig, wie man nur sein kann. Da ich, ohne zu sprechen, nur zustimmend nicke, redet er weiter.
    »Ich versuche mir die Sache vorzustellen. Vilmain kommt mit seiner Panzerfaust an. Mit einem Schlag zertrümmert er die Palisade
     und dringt ein. Er sieht die Sandsäcke vor sich, denkt, daß dahinter das Tor ist, und schießt. Er feuert einen Schuß, feuert
     zwei Schuß ab, ohne Erfolg. Zwölf Granaten hat er bloß. Bestimmt wird er sie nicht alle abfeuern. Dann gibt er Befehl zum
     Rückzug.«
    Ich schüttle den Kopf.
    »Genau das befürchte ich, weißt du. Wenn er abzieht, werden wir deshalb noch nicht gerettet sein. Ganz im Gegenteil. Vilmain
     ist ein Mann vom Fach. Sobald er einsieht, daß er aufgelaufen ist, wird er nach La Roque zurückkehren und mit uns Krieg aus
     dem Hinterhalt führen.«
    »Wir können ihm Gegenfallen stellen«, sagt Meyssonnier. »Wir kennen das Gelände gut.«
    »Er wird nicht versäumen, es zu erkunden. Selbst diesen Pfad zu entdecken, wird er nicht lange brauchen. Nein, Meyssonnier,
     sollte es einen Krieg von dieser Art geben, haben wir |430| alle Aussicht, ihn zu verlieren. Vilmain hat mehr Leute als wir, und er ist besser bewaffnet. Die Mehrzahl unserer Donnerbüchsen
     sind über vierzig Meter hinaus nichts mehr nütze, und seine Gewehre legen einen Mann auf vierhundert Meter um.«
    »Und darüber hinaus«, sagt Meyssonnier.
    Da ich schweige, redet er weiter.
    »Was schlägst du dann vor?«
    »Im Augenblick nichts. Ich überlege.«
    Als wir wieder auf die Straße nach La Roque hinaustreten, geht die Sonne unter, das Licht kommt golden und flach über den
     Erdboden.
    »Thomas?«
    »Ich bin hier«, sagt Thomas und hebt seinen Arm; und diese Gebärde ist das einzige, was mir sein Versteck in der Böschung
     verrät, die die Straße beherrscht.
    Die Stunde ist wolkenlos heiter, aber ich selbst bin gewiß nicht heiter, während ich Meyssonnier, der sich wieder nach Malevil
     begibt, kurz mit einem Wink verabschiede und auf Thomas zugehe.
    Thomas ist gut getarnt, er hat hundert Meter Straße offen vor sich, und sein Gewehr ruht auf zwei flachen Steinen, die er
     mit Erde bedeckt hat. Ich lege mich neben ihn.
    »Zum Kotzen, der Krieg«, sagt Thomas. »Ich habe euch von weitem gesehen, habe sogar auf euch angelegt. Ich hätte euch abmähen
     können wie eine Blume, euch beide.«
    Dank für die Blume. Wäre ich abergläubisch, würde ich denken, das sei kein sehr guter Anfang für die Art von Konversation,
     die uns erwartet.
    »Thomas, ich habe mit dir zu sprechen.«
    »Nun, dann sprich doch«, sagt er, als er meine Verlegenheit spürt.
    Ich erzähle ihm alles. Oder vielmehr, ich erzähle ihm nicht alles. Denn ich möchte vermeiden, Catie zu belasten. Meine Version
     ist also die: Catie kam in mein Zimmer, als ich meinen Mittagsschlaf beendete, vermutlich, um mit mir zu reden. So geschah
     es. Ich habe einfach nicht widerstehen können.
    Thomas wendet mir sein schönes regelmäßiges Gesicht zu und sieht mich aufmerksam an.
    »Du hast nicht widerstehen können?«
    Ich schüttle den Kopf.
    |431| »Na also, siehst du«, sagt er in aller Gemütsruhe. »Sie ist nicht so übel. Du hast sie immer unterschätzt.«
    Der auch! Ich bin fassungslos, daß er es so aufnimmt. Ich schweige und hefte den Blick auf den Boden.
    »Du siehst enttäuscht aus«, sagt Thomas und forscht in meinem Gesicht.
    »Enttäuscht ist nicht das richtige Wort. Erstaunt, ja. Ein wenig.«
    »Mein Standpunkt hat sich geändert«, sagt Thomas. »Aber ich habe versäumt, dich davon in Kenntnis zu setzen. Erinnerst du
     dich an die Diskussion in der Versammlung, als du Miette mitgebracht hattest? Ein einziger Gatte oder mehrere. Ich habe die
     Monogamie gegen dich verteidigt, du bist in die Minderheit gekommen und darüber tief betrübt gewesen.« Er lächelt kaum merklich
     und fährt fort:

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