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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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tat es Meyssonnier nach Ablauf seiner Wache. Und während dieser ganzen Zeit entwerfe ich absurde Projekte, wie der
     Bunker mit einem durch Ringe laufenden Draht mit dem Burgwall zu verbinden wäre. Ich muß auch eingeschlummert sein und sogar
     geträumt haben, denn die Absurdität setzt sich fort. In einer ersten Phase fällt mir zu meiner Freude ein, daß ein Sprechfunkgerät
     die Lösung wäre, in einer zweiten zu meiner Enttäuschung, daß ich nie eines besessen habe.
    Dennoch muß ich tief eingeschlafen sein, denn ich schrecke auf, als Catie sich über mich beugt, mich an den Schultern rüttelt
     und mir mit leiser Stimme sagt, daß ich an der Reihe sei, worauf sie mir ein wenig das Ohr beknabbert, in das sie eben gesprochen
     hat.
    Catie hat auf dem Wall eine von den Schießscharten offengelassen, und ein anderer, Meyssonnier vielleicht, hat eine kleine
     Sitzbank dorthin mitgebracht. Glücklicherweise, denn die Öffnung ist zu niedrig, um sich bequem postieren zu können, ohne
     zu sitzen. Ich atme ein paarmal tief durch, die Luft ist von angenehmer Frische, und ich habe, nach dieser bewegten Nacht,
     das recht erstaunliche Gefühl von Jugendlichkeit und Kraft. Ich bin sicher, Vilmain wird angreifen. Wir haben ihm seinen Bébelle
     getötet, er wird uns bestrafen wollen. Doch gar nicht so sicher bin ich, daß er gegen uns vorgehen wird, ohne einen letzten
     Versuch zu machen, unsere Vorkehrungen abzutasten. Da er durch Hervé von der Existenz der Palisade weiß, muß er sich nicht
     ohne Besorgnis fragen, was sie verbirgt. Wenn ich die Mentalität dieses Freibeuters richtig erfaßt habe, wird ihm die Ehre
     gebieten, Bébelle zu rächen, sein Handwerk aber raten, nicht blindlings anzugreifen.
    Die Nacht wird nur langsam heller, und ich kann nur mit Mühe die Barrikade erkennen, die sich vierzig Meter vor mir befindet,
     denn das altersgraue Holz, aus dem sie gebaut ist, verschwimmt überdies fast mit ihrer Umgebung. Es ist äußerst ermüdend,
     die Augen an die schlechte Sicht zu gewöhnen, und mehrmals muß ich mir mit den Fingern über die Augenlider fahren.
    Da ich am Einschlafen bin, stehe ich auf, mache auf dem Burgwall einige Schritte und sage mir mit leiser Stimme alle |443| Fabeln von Lafontaine her, die ich kenne. Ich muß gähnen. Ich setze mich wieder. Ein Blitz aus der Richtung der Sept Fayards
     erhellt den Himmel. Ich bin überrascht, denn das Wetter ist nicht gewittrig, und ich brauche ein paar Sekunden, bis ich begreife,
     daß mir Peyssou und Colin vom Bunker aus ein Zeichen mit der Taschenlampe gegeben haben. In ebendem Moment ertönt zweimal
     die Glocke an der Palisade.
    Klopfenden Herzens, mit pochenden Schläfen und feuchten Handflächen richte ich mich auf. Soll ich hingehen? Ist es eine Kriegslist?
     Eine Falle von Vilmain? Wird er im Moment, wenn ich das Guckloch in der Palisade öffne, seine Panzerfaust abfeuern?
    Meyssonnier erscheint mit dem Gewehr in der Hand an der Tür des Torbaus. Er sieht mich an, und sein Blick, der von mir erwartet,
     daß ich handle, gibt mir meine Kaltblütigkeit wieder.
    »Sind alle wach?« frage ich leise.
    »Ja.«
    »Ruf sie zusammen.«
    Er braucht sie nicht zu rufen. Von der Glocke alarmiert, sind alle mit dem Gewehr in der Hand zur Stelle. Ich bin zufrieden,
     daß sie schweigsam, ruhig und rasch reagiert haben. Mit ganz leiser Stimme gebe ich meine Anweisungen.
    »Miette und Catie an die zwei Schießscharten des Torbaus. Meyssonnier, Thomas und Jacquet auf den Wall hinter die Zinnen.
     Feuer auf Befehl von Meyssonnier. Jacquet, du öffnest am Torbau das Portal und schließt es hinter mir ab.«
    »Gehst du allein?« fragt Meyssonnier.
    »Ja«, sage ich kurz angebunden.
    Er verstummt. Ich helfe Jacquet, das Portal geräuschlos aufzuriegeln. Meyssonnier berührt mich an der Schulter. Er reicht
     mir einen Gegenstand, ich greife in der Dämmerung danach, es ist der Schlüssel zum Vorhängeschloß am Schlupfloch. Er blickt
     mich an. Wenn er es wagte, würde er vorschlagen, an meiner Stelle zu gehen.
    »Leise, Jacquet!«
    Immer, trotz allen Öls der Welt, knarrte das Portal in den Angeln, sobald der Türflügel weiter als fünfundvierzig Grad geschwenkt
     wurde. Ich öffne ihn kaum und schlängele mich, den Bauch einziehend, durch den Türspalt.
    Obwohl die Nacht kühl ist, läuft mir der Schweiß über die |444| Wangen. Ich passiere die kleine Brücke, gehe zwischen der Mauer und dem Wassergraben weiter und bleibe stehen, um meine Halbschuhe
    

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