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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Feyrac Befehl zum Sturmangriff gegeben und alles niedergemetzelt.
    »Was bedeutet das: alles?«
    »Die zwei Burschen, ein altes Ehepaar, die Frau und das Baby.«
    Schweigen. Wir blicken einander an.
    »Und Vilmain«, frage ich nach einer Weile, »was hat der zu diesem Heldenstück gesagt?«
    »Die Sache ist regulär. Man tötet dir einen Mann. Du nimmst dir das Dorf vor.«
    Wiederum Schweigen. Ich bedeute Hervé, fortzufahren. Er hustet, um seiner Stimme Festigkeit zu geben.
    »Nach Courcejac wollte Vilmain sofort über Malevil herfallen. Die Altgedienten aber waren nicht einverstanden. Auch Jean Feyrac
     nicht: Mit Malevil kann man sich nicht ohne weiteres einlassen, man muß es vorher erkunden.«
    »Hat Jean Feyrac das gesagt?«
    »Ja, er.«
    Ich schäume über vor Widerwillen. »Sich ein Dorf vornehmen«, ja, wenn es leicht geht. Aber Malevil, das ist etwas anderes.
     Malevil bringt diese Herrschaften zum Nachdenken. Der Beweis: Als Vilmain wieder Freiwillige auffordert, findet er unter den
     Altgedienten keinen. Und Hervé und Maurice haben es nicht schwer, den Auftrag zu bekommen.
    »Was hat Vilmain gesagt?«
    »Wenn es diesen kleinen Idioten gelingt, machen wir sie zu Altgedienten. Wenn sie sich abknallen lassen, nichts wie ran, verstanden?«
    »Und die Altgedienten?«
    »Nicht scharf darauf.«
    »Wenn aber Vilmain Befehl gibt loszuschlagen, schlagen sie los?«
    »Ja. Noch haben sie Angst vor Vilmain.«
    »Wieso ›noch‹?«
    »Sagen wir, sie haben seit gestern abend weniger Angst.«
    »Seit Bébelle tot ist?«
    »Seit Bébelle und Daniel Feyrac tot sind. Der Clan der Hartgesottenen ist amputiert. So sehe ich die Dinge.«
    |447| Und er sieht sie richtig, glaube ich. Ich fahre fort: »Falls Vilmain getötet würde, gäbe es da jemand, ihn zu ersetzen?«
    »Jean Feyrac.«
    »Und wenn Feyrac getötet würde?«
    »Niemand.«
    »Würde die ganze Truppe auseinanderfallen?«
    »Ich glaube, ja.«
    Das Frühstück ist fertig. Die Näpfe dampfen auf dem gebohnerten Nußholz. Wie friedlich ist dieses Bild, und wenige Kilometer
     entfernt sechs Leichen, darunter eine ganz kleine, in einem Bauernhof. Wir sind starr vor Grauen und Entsetzen. Welchen abscheulichen
     Zauber übt die Grausamkeit auf den Menschen aus, daß er ihr mit solchen Empfindungen huldigt. Verachtung würde genügen. Mehr
     noch als der Sadismus frappiert bei diesem Massaker sein Stumpfsinn. Menschen wüten gegen das menschliche Leben und vernichten
     selbstmörderisch ihre eigene Gattung.
    Ich schiebe meinen Napf näher zu mir. Ich möchte nicht mehr an Courcejac denken. Ich will über den bevorstehenden Kampf nachdenken.
     Wir essen in Schweigen, in einem Schweigen, das von dem unaufhörlichen Geschwätz der Falvine, die vom Melken zurück ist, gestört
     wird. Sie hat freilich den Bericht über das Gemetzel nicht vernommen und kann nicht in Einklang mit unseren Gedanken sein.
     Heute morgen ist es allerdings ärger denn je. Vielleicht noch ermüdet von meiner Nacht und bereits der kommenden gespannt
     entgegensehend, sage ich auf die Gefahr hin, der Menou neue Waffen zu liefern, schließlich: »Sei doch still, Falvine! Du hinderst
     mich am Nachdenken!«
    Da haben wir’s! Tränen! So oder so, fließen muß es! Und wenn es noch in aller Stille flösse! Aber nein. Nichts als Schluchzen,
     Seufzen, Hochziehen, Schneuzen! Ich kann sie nicht sehen, denn ich kehre ihr den Rücken zu. Aber ich höre sie. Dieses Gewimmer
     ist noch unerträglicher als ihr endloses Reden. Um so mehr, als ich jetzt obendrein in den Genuß eines anhaltenden Gebrumms
     der Menou komme, bei dem ich zwar nicht die einzelnen Worte unterscheiden kann, das die Falvine aber verstehen muß und das
     wohl eine tüchtige Portion Gift in ihre offene Wunde träufelt. Wenn das so weitergeht, wird Catie dazwischenfahren. Nicht,
     daß sie von ihrer Großmutter entzückt |448| wäre. Auch sie hackt gelegentlich auf ihr herum. Aber trotzdem, es ist ihre Großmutter. Die Blutsbande erfordern es, sie kann
     sie nicht vor ihren Augen rupfen lassen, ohne ihrerseits mit Schnabel und Klauen loszugehen. Und sie liebt das. Sie ist hart
     und rasch. Und sie hackt tüchtig zu, »so jung sie ist«. Mit diesem Steinwurf in den Hühnerhof habe ich was Hübsches angerichtet!
     Gackern, Federfliegen, Flügelschlagen, verspritztes Blut! Sich vorzustellen, daß ich Ruhe haben wollte! Dank dafür, Miette,
     daß du stumm bist! Und Dank auch dir, junge Evelyne, daß du noch genügend Angst vor mir hast (das wird

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