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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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den von Hervé. Der einzige Unterschied besteht darin, daß Maurice sich die Erdrosselung seines
     Kameraden René offenbar deutlicher vergegenwärtigt und daß er einen heftigeren Widerwillen gegenüber Vilmain hegt. Er drückt
     diesen Widerwillen nicht mit Worten aus. Doch wenn er den Mord erwähnt, sind seine kohlschwarzen Augäpfel mit einemmal hart
     und seine schrägen Lidspalten halb geschlossen. Gleich Hervé macht er einen guten Eindruck auf mich. Einen besseren sogar.
     Hervé fällt das Reden leicht, er fängt rasch Feuer, hat schauspielerische Gaben. Maurice ist, ohne so glänzend zu sein, ein
     Mensch von besser gehärtetem Stahl.
    Ich wende mich an Peyssou.
    »Peyssou, wenn du fertig gegessen hast, habe ich eine Arbeit für dich.«
    »Ich höre.«
    »Im Materiallager haben wir zwei Ringe. Ich möchte gern, daß du mit Maurice in den Keller gehst und sie dort einmauerst. Ich
     will den Stier, die Kühe und Bel Amour während des Kampfes dort anbinden. Außerdem möchte ich, daß du mir eine behelfsmäßige
     Box für Adelaide baust.«
    »Bel Amour allein?« fragt Peyssou. »Und die übrigen Pferde?«
    »Die bleiben in der Maternité, wir könnten sie nötig haben. Wenn du fertig bist, wirst du es mir sagen, und wir alle machen
     dann einen Arbeitseinsatz, um Heu von der Maternité in den Keller zu bringen.«
    Peyssou, mit dem Gesicht so tief in seinem Napf, daß er mit |451| den Augen kaum über den Rand hervorschaut, blickt mich ängstlich an.
    »Glaubst du, es kommt so weit, daß wir den äußeren Burghof verlieren?«
    »Ich glaube nichts dergleichen, ich treffe nur meine Vorkehrungen.«
    Ich stehe auf.
    »Menou, laß dein Geschirr einen Augenblick stehen und komm mit.«
    Sie läßt sich gerade die Zeit, Miette das Tuch aus der Hand zu nehmen und sich die kleinen knotigen Arme abzuwischen, und
     schon folgt sie mir. Ich schleppe sie in meinem Kielwasser (sie macht zwei Schritte, während ich einen mache) und führe sie
     in die Kammer mit der Maschinerie oberhalb der Zugbrücke.
    »Glaubst du, Menou, daß du das im Notfall ganz allein handhaben kannst? Oder möchtest du dir lieber von der Falvine helfen
     lassen?«
    »Ich brauche das dicke Stück nicht«, sagt die Menou.
    Ich weise sie ein. Und nach ein paar Versuchen, bei denen sie ihren kleinen, mageren Körper aufstützt und die Zähne zusammenbeißt,
     gelingt es ihr, die Griffe der Seilwinde tadellos zu handhaben. Seit dem Tage, an dem wir mit Monsieur Paulat kurz vor Ostern
     die Gemeindewahlen besprochen haben, ist es das erstemal, daß ich die Aufzugsvorrichtung in Gang setze. Das gedämpfte Knirschen
     der dicken, gutgeölten Ketten führt mich mit besonderer Eindringlichkeit in die Vergangenheit zurück. Schön. Es ist nicht
     die Zeit für Erinnerungen und schwermütige Gedanken.
    Ich rate der Menou, stärker zu bremsen, wenn sie die Zugbrücke nach dem Aufziehen wieder herabläßt. Die Plattform muß sich
     sacht auf die steinerne Umrandung des Wassergrabens legen. Durch das viereckige Fensterchen des Maschinenraums kann ich Peyssou
     und Colin sehen. Sie sind am Torbau vor der Tür aufgetaucht und blicken in unsere Richtung. Auch bei ihnen muß das Knirschen
     der Ketten Erinnerungen wecken.
    »Das ist nun dein Gefechtsposten, Menou. Sobald es hitziger wird, stellst du dich hier auf und wartest ab. Falls es schiefgeht
     und wir uns in den inneren Burghof zurückziehen müssen, holst du die Zugbrücke ein. Möchtest du es nochmals versuchen? Wirst
     du dich erinnern?«
    |452| »Ich bin keine Idiotin«, sagt Menou.
    Und auf einmal füllen sich ihre Augen mit Tränen. Ich bin ergriffen, denn sie weint nicht so schnell.
    »Laß gut sein, Menou.«
    »Laß mich in Frieden«, zischt sie mit zusammengebissenen Zähnen.
    Sie sieht mich nicht an, sie blickt vor sich hin. In aufrechter Haltung, mit erhobenem Kopf, unbeweglich. Die Tränen rollen
     über ihr gebräuntes Gesicht (nur die Stirn ist weiß, denn im Sommer schützt sie ihren Kopf mit einem großen Strohhut). Und
     sie steht unverwandt da und hält die Hände fest um die beiden Griffe der Seilwinde geschlossen, als hätte sie ein Schiff durch
     eine Sturmbö zu steuern. Diese Winde hat Momo am Tage des Besuches von Paulat bedient. Er hat gestrahlt und ist vor Freude
     herumgesprungen. Ich sehe ihn wieder, und sie sieht ihn wieder. Und sie weint mit zusammengebissenen Zähnen, wie sie, ohne
     die Hände zu lockern, vor der Maschine steht. Sie wird nicht weich. Sie gibt sich ihrem Kummer

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