Malevil
geholfen?«
»Doch.«
»Und ihr seid damit fertig?«
»Nein.«
»Dann geh wieder helfen. Wenn man etwas beginnt, läßt man es nicht wegen der ersten besten Idee, die einem durch den Kopf
geht, liegen.«
»Ich gehe schon«, sagt sie, ohne sich einen Fußbreit zu rühren, und heftet ihre großen blauen Augen auf mich.
Diese Beharrlichkeit hätte ihr in gewöhnlichen Zeiten einen leichten Anpfiff eingetragen. Aber vor Catie möchte ich sie nicht
beschämen.
»Nun?« sage ich eher freundlich.
Diese Freundlichkeit läßt sie weich werden.
»Ich gehe schon«, sagt sie, den Tränen nahe, und schließt die Tür hinter sich.
»Evelyne!«
Sie erscheint wieder.
»Sag Meyssonnier, daß ich ihn benötige. Unverzüglich!«
|455| Sie läßt mir ein strahlendes Lächeln zukommen und macht die Tür wieder zu. Drei Fliegen auf einen Streich: Ich benötige Meyssonnier
wirklich. Ich beruhige Evelyne. Und ich werde Catie los, mit der ich hier nicht unangefochten bliebe. Freilich, die Furcht
ist in diesem Fall nicht die mich beherrschende Empfindung, aber trotzdem gibt es eine Reihenfolge in den Dringlichkeiten.
Catie beginnt sich wieder in ihrem Sessel zu rekeln. Daß ich nur ja nicht meinen Blick zu ihr hebe, auch nicht bis zur Höhe
ihres Gesichts. Ich habe mich wieder an meine Arbeit gemacht. Glücklicherweise brauche ich nur abzuschreiben; den Text habe
ich auf einem Notizzettel vorbereitet. Catie läßt ein leises Lachen hören.
»Hast du gesehen, wie sie zurückgekommen ist! Sie ist verrückt nach dir!«
»Das beruht ganz auf Gegenseitigkeit«, sage ich trocken und hebe den Kopf.
Das Lächeln, mit dem sie mich ansieht, erbittert mich.
»Unter diesen Bedingungen sehe ich nicht ein, was …«
»Unter diesen Bedingungen sagst du mir vielleicht deine Idee?«
Sie seufzt, sie windet sich auf ihrem Sessel, sie kratzt sich am Bein. Kurzum, sie ist sehr betrübt, daß sie einen so aufregenden
Gegenstand wie meine Beziehungen zu Evelyne fallenlassen muß.
»Schön«, sagt sie, »Vilmain greift an. Er beißt, wie du sagst, auf einen Knochen. Er kehrt nach La Roque zurück, er führt
mit uns einen Krieg aus dem Hinterhalt, und das bereitet dir Ärger.«
»Das bereitet mir mehr als Ärger. Das ist eine Katastrophe. Er kann uns sehr viel Schaden zufügen.«
»Nun also«, sagt sie, »dann müssen wir ihn, wenn er abzieht, daran hindern, wieder nach La Roque zu gelangen, wir müssen ihn
verfolgen.«
»Er wird einen verdammten Vorsprung haben.«
Sie sieht mich triumphierend an.
»Ja, aber wir, wir haben Pferde!« Ich bin starr vor Staunen. Es ist kein bloßer Vorwand gewesen: Sie hatte wirklich eine Idee!
Und ich, der ich mein Leben mit Pferden verbracht habe, bin nicht daraufgekommen. Zwischen |456| Krieg und Reitkunst bestand in meinem Kopf keine Verbindung. Ja, doch. Einmal, ein einziges Mal, als ich meine Gefährten dafür
gewinnen wollte, Fulbert unsere Kuh gegen zwei Stuten zu geben, hatte ich sie miteinander in Verbindung gebracht. Ein Argument
in einer Diskussion, mehr nicht. Ich besaß diese enorme Überlegenheit gegenüber Vilmain – eine Kavallerie –, und ich hätte
sie nicht genutzt!
Ich richte mich in meinem Sessel auf.
»Catie, du bist genial!«
Sie errötet, und an der Freude, die sie plötzlich erfüllt, die ihr die Lippen halb öffnet und ihre Augen wie glückliche Kinderaugen
leuchten läßt, ermesse ich, wie schwer sie es ertragen haben muß, von mir unterschätzt worden zu sein.
Ich überlege. Ich sage ihr nicht, daß wir ihre Idee erst ausbauen müssen, denn auf der beschotterten Straße, wo die Hufe der
Tiere klappern, können wir an die Vilmainbande nicht ohne weiteres von hinten herankommen. Man würde uns hören, uns hinter
einer Wegkrümmung abwarten, und was für prächtige Zielscheiben böten wir dann!
»Bravo«, sage ich, »bravo, Catie, ich will es bedenken, und du sprich inzwischen mit niemand davon.«
»Ganz gewiß nicht«, sagt sie mit Stolz. Und mitgerissen von dem neuen Gewicht ihrer Tugenden, fügt sie ihnen noch die der
Bescheidenheit hinzu. »Ich gehe jetzt«, sagt sie, »ich sehe, du arbeitest.«
Ziemlich unvorsichtig stehe ich auf; denn kaum ist sie um den Tisch, wirft sie sich mir an den Hals und ringelt sich um mich
zusammen. Peyssou hat recht: Sie wetzt sich.
Es wird an die Tür geklopft, ich rufe, ohne zu überlegen: »Herein!« Es ist Meyssonnier. Wer nun rot wird und blinzelt, ist
sonderbarerweise er. Und ich bin recht betrübt
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