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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Stille auf beiden Seiten. Totenstille |474| wäre zuviel gesagt, denn getroffen worden ist niemand. Die erste Phase des Kampfes geht als Posse und in Unbeweglichkeit zu
     Ende. Wir empfinden kein Bedürfnis, Malevil zu verlassen und nach dem Feind zu suchen, und dieser hat keine Lust, unseren
     Kugeln entgegenzugehen und sich an der Bresche von eineinhalb Meter Durchmesser blicken zu lassen.
    Was nun folgt, habe ich nicht gesehen, das Außenkommando hat es mir erzählt.
    Hervé und Maurice sind verzweifelt. Bei der Anlage des Bunkers ist ein Fehler begangen worden. Auf Leute, die die Straße nach
     Malevil benutzen, bietet er von der Seite her eine ausgezeichnete Sicht, wenn sie sich aufrecht fortbewegen. Aber sobald sie
     sich hinlegen, sind sie verschwunden. Die grasbewachsene Böschung entzieht sie völlig dem Blick. Hervé und Maurice können
     also nicht schießen. Aber selbst unter der Voraussetzung, daß der Feind sich erhöbe, wüßten sie nicht, ob sie feuern dürfen,
     denn Colins Gewehr bleibt stumm.
    Colin hingegen ist wunderbar postiert. Er liegt Malevil zugekehrt, sieht den Weg bis zur Palisade hinauf vor sich ansteigen.
     Er kann die Angreifer, die entlang dem Felsen flach auf dem Boden liegen, sehr gut unterscheiden. Und als Vilmain nach meinem
     Pfiff brüllt: Worauf schießt ihr denn, ihr Arschlöcher?, erkennt ihn Colin an der Beschreibung, die Hervé von seinem blonden
     rasierten Schädel gegeben hat.
    Colin nimmt sich also vor, Vilmain zu töten. Die Idee ist an sich gut. Doch als uns Colin mit seinem mutwilligen Lächeln erzählt,
     wie er sie zur Ausführung gebracht hat, sind wir alle entsetzt.
    Für Colin kam es nämlich nicht in Frage, seine Flinte zu benutzen. Um jene »Terrorwirkung« ohne Geräusch und Rauch hervorzubringen,
     die ihm so sehr am Herzen liegt, beschließt er, sich seines Bogens zu bedienen.
    Colin ist klein, der Platz zum Schießen ist eng, der Bogen ist groß. Colin wird gewahr, daß es ihm in diesem »Rattenloch«
     nicht gelingen wird, ihn zu spannen. Darauf soll es ihm nicht ankommen! Er verläßt sein Loch (und läßt dabei sein Gewehr zurück!).
     Er kriecht mit dem Bogen in der Hand drei Meter weiter bis zu dem dicken verkohlten Stamm einer Kastanie, hinter dem er sich
     nun, um es bequemer zu haben, aufrichtet! Ganz gerade! Und so zielt er ruhig auf Vilmains Rücken.
    |475| Unglücklicherweise dreht Vilmain sich um, weil er einen Befehl erteilen will, und der Pfeil, der ihn um ein weniges verfehlt,
     bleibt im Rücken des Mannes neben ihm stecken. Er ist wohl der Munitionsträger der Panzerfaust, denn Colin sieht, daß ihm
     ein paar kleine Granaten aus den Händen fallen und mehrere Meter auf der abschüssigen Straße weiterrollen, bevor sie liegenbleiben.
     Der Verletzte stößt einen gräßlichen Schrei aus, richtet sich in seiner ganzen Größe auf (in diesem Moment wird er auch für
     die im Bunker sichtbar), wankt kreuz und quer über die Straße und versucht unter Verrenkungen, sich den Pfeil aus dem Rücken
     zu ziehen. Er bricht nach einigen Metern zusammen und zappelt, beide Hände in die Erde verkrallt, auf dem Bauche liegend weiter.
    Die Terrorwirkung ist ganz sicher erreicht, aber sie ist nicht entscheidend. Und Vilmain hat Zeit gehabt, nachzusehen, woher
     der Schuß gekommen ist. Er ruft einen Befehl. Und zwölf Gewehre speien gleichzeitig ihre Geschosse auf den Kastanienstamm,
     hinter dem sich Colin auf den Erdboden drückt und außerstande ist, das Feuer zu erwidern: Sein Gewehr liegt drei Meter von
     ihm entfernt, und sein Bogen ist nicht zu gebrauchen, weil er ihn im Liegen nicht spannen kann.
    Vom Burgwall aus höre ich das heftige Gewehrfeuer, kann aber nicht sehen, wer auf wen schießt, da ja das Außenkommando über
     die gleichen Waffen verfügt wie der Gegner. Ich bin bis zum äußersten besorgt, denn der Kampf zwischen den drei Gewehren unserer
     Freunde und den zwölf Gewehren Vilmains erscheint mir ungleich. Vilmain kann dank seiner zahlenmäßigen Überlegenheit manövrieren
     und die Unsrigen umgehen. Und wir selbst vermögen nichts zu tun, um ihnen beizustehen, es sei denn, wir bewegen uns aus Malevil
     heraus, was Torheit wäre.
    Die im Bunker bekommen den Feind noch immer nicht zu Gesicht. Da sie auch nicht gesehen haben, daß Colin seine Stellung verlassen
     hat, fragen sie sich, weshalb sich Vilmain so eifrig auf das Unterholz konzentriert, und können nicht begreifen, warum Colins
     Waffe weiterhin schweigt, denn sie wissen –

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