Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
Vom Netzwerk:
Stufen springen muß. Ich lande schwerfällig und laufe, von Meyssonnier gefolgt, zur Maternité.
    »Nimm Mélusine!« rufe ich ihm über die Schulter hinweg zu.
    Während des Laufens sichere ich mein Gewehr und hänge es um. Evelyne, die meine Stimme gehört hat, kommt mit Morgane an der
     Hand aus der Maternité. Ich selbst nehme Amarante |478| am Zügel und finde sie so aufgeregt, daß ich meiner eigenen Aufregung Herr werde. Ich nehme mir die Zeit, ihr zuzureden und
     sie zu streicheln. Anfänglich macht sie keine Schwierigkeiten. Doch vor der Palisade angekommen, wittert sie die Trümmer und
     bleibt plötzlich mit abgestemmten Vorderbeinen, störrisch gerecktem Hals und erhobenem Kopf, die blonde Mähne schüttelnd,
     stehen. Der Schweiß tritt mir ins Gesicht. Ich kenne Amarante, wenn sie nicht weiterwill!
    Zu meiner großen Überraschung und Erleichterung geht es diesmal nach sanftem Anziehen der Zügel und einigem Zungenschnalzen
     vorüber. Nachdem Amarante die Palisade passiert hat, folgen die zwei anderen Stuten ohne Widerstreben.
    Es bleibt mir kaum Zeit, vier Tote zu zählen und festzustellen, daß der Feind ihre Waffen mitgenommen hat, als die drei vom
     Außenkommando im gleichen Moment auf den Weg herauskommen. Sie schnaufen, sind gerötet und aufgeregt. Ich umarme sie, aber
     es ist nicht der Augenblick für Berichte und gerührte Gefühle. Ich helfe Maurice, sich hinter Meyssonnier auf die Kruppe zu
     setzen. Ich helfe Hervé, der mir viel schwerer erscheint, hinter Colin aufzusitzen, und ich merke, daß Colin außer seinem
     Gewehr auch seinen Bogen umgehängt trägt: quer über seinem kleinen Körper, ragt er ihm weit über den Kopf.
    »Laß doch deinen Bogen! Im Unterholz wird er dir hinderlich werden!«
    »Nein, nein«, sagt Colin, strahlend vor Stolz.
    Im Moment, als ich aufsitzen will, bemerke ich, daß wir die Longen vergessen haben. Wieviel Zeit müßten wir verlieren, sie
     zu holen!
    »Evelyne, du kommst mit uns!«
    »Ich?«
    »Du mußt auf die Pferde aufpassen.«
    Sie ist starr und stumm vor Entzücken. Ich packe sie um die Hüften, werfe sie fast auf Amarantes Rücken und springe hinter
     ihr in den Sattel. Als wir an den Forstweg gelangen, stütze ich die Hand auf die Kruppe von Amarante und drehe mich nach Colin
     um.
    »Vorsicht mit deinem Bogen!« sage ich leise. »Wir wollen galoppieren.«
    »Ist doch klar«, sagt er mit unübertrefflich männlicher und sieghafter Miene.
    |479| Zu diesem Zeitpunkt weiß ich noch nichts von der Rolle, die er im Gefecht gespielt hat, aber allein schon aus seiner Miene
     kann ich erraten, daß sie beträchtlich ist.
    Amarante ist seit zwei Tagen nicht ausgeführt worden. Sie läßt sich nicht erst darum bitten, ihre langen Glieder zu strecken.
     Zwischen meinen Beinen spüre ich die gewaltige Kraft ihres Anlaufs und auf meiner Stirn den frischen Wind des Rennens. Evelyne,
     fest zwischen meinen Armen, ist voller Begeisterung. Ihre Haltung ist glänzend, sie hält sich kaum am Sattelknauf fest; wenn
     ich mich nach vorn beuge, um einem Ast auszuweichen, duckt sie sich unter meinem Gewicht, nimmt die Hände weg und legt sie
     leicht auf Amarantes Hals. Die Mähne der Stute flattert, und Evelynes langes Haar, von ähnlich blonder Tönung wie das der
     Stute, flattert mir an den Hals. Kein anderes Geräusch als der gedämpfte rhythmische Hufschlag auf dem Waldboden und das des
     Blattwerks, das, von Amarante mit der Brust auseinandergeschoben, auf mich zurückschlägt. Amarante galoppiert. Morgane und
     Mélusine folgen ihr schwerfälliger, denn sie haben mehr zu tragen. Was bei ihnen mechanische Perfektion ist, ist bei Amarante
     Feuer, Blut, Rausch der Weite. Mit ihr bin ich eins, werde ich meinerseits zum Pferd, sind ihre Bewegungen meine eigenen:
     Ich hebe und senke mich im gleichen Rhythmus mit ihrem Rücken, während Evelyne, leicht wie eine Feder, im Takt mitschwingt.
     Und eine Empfindung von unerhörter Schnelligkeit, Fülle und Kraft erfüllt mich. Evelynes kleinen Körper an meinem Körper spürend,
     galoppiere ich drauflos, den Feind zu vernichten, Malevil zu verteidigen, La Roque zu erobern. In dieser Sekunde, die mir
     zuteil wird, können weder Alter noch Tod mich treffen. Ich galoppiere. Ich habe Lust, vor Freude laut aufzujubeln.
    Ich gewahre, daß ich die beiden anderen Stuten weit hinter mir gelassen habe. Da ich befürchte, sie könnten zu wiehern anfangen
     und unsere Anwesenheit verraten, wenn sie ihr Leittier aus den Augen

Weitere Kostenlose Bücher