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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Hervé zumindest weiß es, da er es mit Jacquet zusammen ausgehoben hat –, daß das
     Einmannloch ausgezeichnete Sicht auf den Weg nach Malevil bietet.
    Doch der Besorgteste von allen ist natürlich der Betroffene. |476| Er ist sich darüber im klaren, daß er keinerlei Aussicht hat davonzukommen. Siebzig Meter vor dem Gegner und ohne Gewehr,
     findet er sich hinter seinem verkohlten Kastanienstumpf völlig isoliert, und jeder Rückzug ist ihm durch das Feuer, das ringsum
     niederprasselt, abgeschnitten. Er hört die Geschosse der gegnerischen 36er mit dumpfem Geräusch in den Baumstumpf einschlagen
     und Rindenstücke dicht neben seinem Kopf absplittern. Er hat einen Entschluß gefaßt. Er will ein Abflauen abwarten und dann
     in sein Loch springen, dessen Öffnung er kaum drei Meter vor sich sieht und wo sein Gewehr steht, vorsorglich an die Faschinen
     gelehnt. Doch ein Abflauen tritt nicht ein, und die Kugeln pfeifen, wenn sie nicht in den Kastanienstamm schlagen, mit erschreckender
     Präzision rechts und links an ihm vorüber. Das einzige Mal in meinem Leben, wird er sagen, daß ich gern noch viel kleiner
     gewesen wäre, als ich bin.
    Den Gefangenen zufolge zeigte Vilmain, als Colins Pfeil ihm seinen Munitionsträger tötete und ihm klar wurde, daß er einen
     Gegner im Rücken hatte, vorerst viel Angst. Als dann aber sein Gewehrfeuer nicht erwidert wurde, begriff er, daß dieser Feind
     unbewaffnet war, und beschloß, ihn von seinem Baum zu vertreiben. Er beauftragt zwei Altgediente, bis zu dem Hügel zu robben
     und den Gegner rechter Hand zu umgehen, während vier seiner besten Schützen fortfahren sollen, den Boden mit ihrem Feuer zu
     beharken. Aber kaum sind die Altgedienten ein paar Meter weit gekrochen, ruft er sie schon zurück. Gerade recht für mich,
     erklärt er. Den Kerl frikassiere ich eigenhändig. Und er steht auf. Da sich die Einnahme von Malevil nicht so gut anläßt,
     versucht er vermutlich, durch einen leichten Erfolg seinen Einfluß auf die Altgedienten wiederherzustellen.
    Allein dadurch, daß alle seine Männer liegen, wirkt seine aufgerichtete Figur sofort heroisch. In lässig wiegender Gangart,
     mit seinem Gewehr in der Hand und der Pistole im Gürtel, begibt er sich die Straße hinunter, um Colin zu umgehen. Viel Kühnheit
     hat er nicht nötig, denn Colin hat ja das Feuer nicht erwidert, und der Felsvorsprung entzieht ihn unseren Schüssen.
    Hervé und Maurice haben Vilmain bis dahin ebensowenig sehen können wie seine Leute, doch als er aufsteht und, die |477| katzenhafte Geschmeidigkeit des alten Buschkriegers markierend, die Straße hinunterzuschlendern beginnt, wird er für sie zum
     perfekten Ziel. Hervé, der immer noch auf das Signal von Colin wartet, beobachtet ihn (er wird uns später eine hervorragende
     Imitation seiner Gangart zum besten geben) und rührt sich nicht. Maurice aber, den kalter Haß auf Vilmain beseelt, nimmt ihn
     gleich aufs Korn, folgt mit der Gewehrmündung seiner lässigen Fortbewegung auf der Straße, stellt, als er Vilmain stehenbleiben
     und die Waffe schultern sieht, die Visierlinie auf seine Schläfe ein und drückt ab.
    Vilmain bricht mit zertrümmertem Schädel zusammen, getötet von dem Rekruten, dem er erst vor einem Monat die Anfangsgründe
     des Schießens, stehend mit aufgelegtem Gewehr, beigebracht hat. Das Gewehrfeuer auf Colin verstummt, und Colin springt in
     sein Loch. Er nimmt sein 36er-Gewehr wieder auf. Und hier, gut getarnt und gut gedeckt, kann er schießen. Er ist ein hervorragender,
     schneller und sicherer Schütze, er tötet, Schuß auf Schuß, zwei Mann.
    In wenigen Sekunden hat sich die Situation völlig gewandelt. Jean Feyrac, der, wie die Gefangenen erzählen werden, ohnehin
     nicht begeistert von der Expedition gegen Malevil war, gibt das Signal zum Rückzug. Es ist ein Rückzug, keine wilde Flucht.
     Ein Hagel von Geschossen geht rings um Colins Loch nieder und zwingt ihn, den Kopf einzuziehen; als er ihn wieder hebt, ist
     der Gegner verschwunden. Trotzdem hat sich der noch die Zeit genommen, die Panzerfaust samt den Granaten und die Gewehre der
     Gefallenen mitzunehmen.
    Colin stößt einen triumphierenden Käuzchenschrei aus. Nie zuvor hat mir ein Käuzchen solche Freude bereitet. Es verkündet
     mir, daß der Feind geflohen und daß zumindest Colin heil geblieben ist.
    Ich weise Thomas an, das Portal aufzuschließen, und eile so rasch die Walltreppe hinunter, daß ich beinahe stürze und über
     die fünf letzten

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