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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Zu Ostern? sagt der große Peyssou. Na, dann gib acht, daß sie
     sich auf ihrem Roß nicht zuviel im Wald herumtreibt, denn wenn ich ihr begegne, werde ich mich nicht genieren, es ihr mal
     richtig zu besorgen. Fräulein, werde ich ganz höflich zu ihr sagen, Sie haben ein Pferd, das sein Hufeisen verliert. Nicht
     möglich, sagt sie dann ganz erstaunt und steigt ab. Oho, was meinst du, kaum ist sie runter, lange ich sie mir schon, und
     hopp, ins Moos, mit Stiefeln. Denk an die Sporen, sagt der kleine Colin.
    Wir lachen. Und sogar Meyssonnier lächelt. Nicht, daß dieses Scherzen über Birgitta neu wäre. Peyssou fängt jedesmal, wenn
     wir zusammenkommen, damit an. Zwar ist er jetzt ein solider Bauer mittleren Alters, der seine Frau nicht betrügt. Doch er
     bleibt treu der Idee, die wir uns zu Zeiten des Zirkels von ihm gemacht haben, und für diese Treue wissen wir ihm Dank.
    Die Unterhaltung wurde gleich ernsthaft, als Monsieur Paulat eintraf, mein Nachfolger an der Schule. Er war schwarz gekleidet,
     hatte hohle Wangen, eine gallige Gesichtsfarbe und die Palmen der Akademie im Knopfloch. Wir empfingen ihn mit Höflichkeit,
     ein Beweis, daß er nicht zum engeren Kreis gehörte. Im Kontrast zu unserem südwestlichen Akzent (der ein wenig nach Mittelfrankreich
     hinüberspielt) störte uns sein scharfer Akzent und vor allem sein veraltetes, blasses, saftloses Französisch. Überdies wußten
     wir, daß er uns gegenüber voller Vorbehalte und Hintergedanken, wenn auch im Prinzip ein Bundesgenosse in unseren Bestrebungen
     war.
    Meyssonnier beispielsweise drückte er die Hand nur mit den Fingerspitzen. Meyssonnier war Mitglied der KP, und insofern war
     er der Teufel. Von ihm drohte jeden Augenblick Gefahr, daß er seine Verbündeten überspielte und ihnen unvermerkt ihre den
     formalen Freiheiten zugetane Seele entriß, um sie dann, im Falle des Sieges der Partei, auch physisch zu vernichten. Colin,
     ein tüchtiger Mann, gewiß, war bloß Klempner, Peyssou ein unwissender Bauer und recht einfältig, und ich … |51| wie konnte einer den Schuldienst aufgeben, um Pferde zu züchten!
    »Meine Herren«, sagte Monsieur Paulat, »gestatten Sie mir, Monsieur Comte in Ihrem wie in meinem Namen zu danken, daß er so
     freundlich war, uns seine Gastfreundschaft zu erweisen, denn meinem Gefühl nach konnte die Schule, die zu ihrem Unterhalt
     von der Gemeinde abhängig ist, unserem Treffen kein Obdach gewähren.«
    Er schwieg und war zufrieden. Wir waren es weit weniger. Denn seine kleine Ansprache schien uns im Ton wie im Inhalt fehl
     am Platze. Monsieur Paulat vergaß einen wichtigen republikanischen Grundsatz: Die laizistische Schule gehörte allen. Der Verdacht
     lag nahe, daß Monsieur Paulat heimlich die Opposition unterstützen und öffentlich gute Beziehungen zum Bürgermeister aufrechterhalten
     wollte.
    Während er redete, beobachtete ich meine Gefährten. Meyssonnier beugte seine schmale Stirn und sein messerscharfes Gesicht
     über den Tisch. Seine sehr eng beisammenstehenden Augen waren nicht zu sehen, doch ich wußte genau, was er in dieser Minute
     von seinem Gegenüber dachte.
    Peyssou hatte auch keine bessere Meinung, ich sah es ihm an. Er war wirklich nicht sehr intelligent, darin hatte Monsieur
     Paulat recht, und kaum gebildet. Doch er besaß eine Eigenschaft, die Monsieur Paulat meiner Meinung nach unbekannt war: ein
     Empfindungsvermögen, das ihm den Scharfsinn ersetzte. An dem Lehrer entging ihm nicht die Art, wie er sich zwischen den Parteien
     hin und her wand, und überdies merkte er, wie gering der ihn schätzte. Dem kleinen Colin funkelten die Augen.
    Es folgte ein drückendes Schweigen, dessen Bedeutung Monsieur Paulat nicht verstand, denn er nahm gleich wieder das Wort.
    »Wir sind hier, um die jüngsten Vorgänge in Malejac zu besprechen und eine Antwort auf diese Vorgänge ins Auge zu fassen.
     Zuvor aber, meine ich, wäre es gut, die Tatsachen genauer zu umreißen, denn was mich betrifft, ich habe die Angelegenheit
     in zwei Versionen gehört und würde mich gern aufklären lassen.«
    Nachdem er sich auf diese Weise über das Getümmel erhoben und sich die vorteilhafte Rolle des Schiedsrichters zugeteilt |52| hatte, schwieg Monsieur Paulat und überließ anderen die Ehre, sich mit der Beschuldigung des Bürgermeisters die Hände schmutzig
     zu machen. Mit den »anderen« war offenbar Meyssonnier gemeint, den er auf bedeutungsvolle Art ansah, während er sagte, daß
     es gut wäre, die

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