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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Pfarrer«, sagte Colin. »Wie Sie vielleicht wissen, Monsieur Paulat, wohne ich
     in Malejac, habe aber meine kleine Werkstatt in La Roque, und der Bürgermeister von La Roque hat mich mit Klempnerarbeiten
     im Pfarrhaus beauftragt.«
    Monsieur Paulat runzelte die Stirn.
    »Und der neue Pfarrer soll Ihnen gesagt haben …«
    »Nein, Monsieur Paulat, er soll nicht bloß, er hat es mir gesagt. Der Conditionalis ist hier nicht am Platz.«
    Diese Zurechtweisung wurde mit einem freundlichen Lächeln serviert, ohne daß Colin die Stimme hob. Ein Schauer ging über das
     magere, gallige Gesicht von Monsieur Paulat.
    »Er hat mir gesagt«, fuhr Colin fort, »hinsichtlich der Wohnung habe man ihm die Wahl zwischen Malejac und La Roque gelassen,
     mit Nachdruck auf Malejac. Aber Malejac, geben Sie wohl zu, hat er gesagt, ist ein armseliges Nest. In La Roque gibt es wenigstens
     Jugend. Und ich meine, mein Platz ist bei den jungen Menschen.«
    Es trat Schweigen ein.
    »Gewiß«, sagte Monsieur Paulat.
    Und das war alles. Daraufhin begann Meyssonnier von der »Antwort« zu reden, die auf das Vorkommnis zu geben wäre, und meine
     Aufmerksamkeit ließ nach, denn die »Antwort« hatte ich schon vorbereitet; sie war von der Art, Monsieur Paulat den Atem zu
     benehmen. Um sie vorzubringen, wartete ich also, daß die Diskussion versickerte, und bis dahin brauchte ich nur halb zuzuhören.
    Ich sah Colin an und zwinkerte ihm freundlich zu. Ich war selig, daß er den Lehrer so abgekanzelt hatte, im Namen der Grammatik
     und des Conditionalis.
    Während Meyssonnier redete, klimperte ich mit den Fingern auf dem Tisch und überließ mich ein paar schmerzlichen Gedanken.
     Vor der Ankunft Monsieur Paulats war alles sonnenklar gewesen; bei den Gemeindewahlen stellt die Opposition gegen die Liste
     des Bürgermeisters eine Einheitsliste der Fortschrittsunion auf und wird mit knapper Mehrheit gewählt; Colin, Peyssou, Meyssonnier,
     ich selber und zwei andere Landwirte, die unsere Ideen teilen, werden Gemeinderäte, und Meyssonnier wird als Vorsteher kooptiert.
    Meyssonnier würde trotz seiner parteilichen Bindungen ein |55| guter Bürgermeister sein. Pflichtgetreu, uneigennützig, bar jeder persönlichen Eitelkeit und nicht halb so intolerant, wie
     er zu sein schien. Mit ihm bekämen wir in Malejac eine Wasserleitung, Straßenbeleuchtung, einen Fußballplatz für die Jugend
     und eine Pumpstation in den Rhunes, damit die Bauern ihren Tabak und ihren Mais bewässern können.
    Monsieur Paulat brachte, für den Moment zumindest, diese Pläne durcheinander. Er hatte eine weltläufige Auffassung von der
     Politik und hing insgeheim einem zentristischen Traum nach. Mit einem Fuß in jedem Lager stehen, sich von der Linken wählen
     lassen, um mit der Rechten zu regieren. Aber so pervertiert waren wir in Malejac nicht.
    Da Monsieur Paulat mir gegenüber saß, konnte ich ihn beobachten, während die Debatten im Gange waren. Er hatte einen Teint
     wie gebräunter Zucker, eine stumpfe Nase und etwas Schlaffes, Gummiartiges im Profil. Seine Zunge schien für seinen Mund zu
     groß: Man sah sie ständig zwischen seinen dicken Lippen auftauchen, was seine Diktion breiig machte und ihn unablässig Spucke
     sprühen ließ. Tiefe Falten um den Mund deuteten auf schlechte Verdauung hin, und ich sah, daß sein sehniger Nacken oberhalb
     des weißen Kragens rot von kleinen Pusteln war. Vermutlich würden sich diese Pusteln noch ausbreiten, wenn ich erst mit ihm
     abrechnete.
    Zugleich aber empfand ich ein gewisses Mitleid mit ihm. Denn wie ich bemerkt habe, sind solche gelbgesichtigen Menschen, die
     unter schlechter Verdauung leiden und von Furunkeln geplagt werden, niemals glücklich im Leben. Sie lassen sich vom Ehrgeiz
     treiben, das heißt, sie widmen sich nicht den Dingen, die ihnen wirklich Vergnügen bereiten, sondern solchen, die andere für
     wichtig halten.
    Es gibt Momente, in denen man den Menschen zuhören muß, und andere, in denen man darauf verzichten kann und sie nur anzusehen
     braucht. Colin, wenn man ihn so sah, funkelte wie guter Wein. Monsieur Paulat ähnelte einer Nacktschnecke. Meyssonnier erinnerte
     an jene tüchtigen, geradsinnigen jungen Leute, die die Stärke einer Armee oder einer politischen Partei ausmachen. Und Peyssou,
     trotz seiner bäuerlich derben Hülle, reagierte auf alles mit der Empfindsamkeit eines jungen Mädchens. Im Augenblick freilich
     reagierte er überhaupt nicht. Er lümmelte auf seinem Louis-Treize-Stuhl und

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