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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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acht Meter Länge, um den zwölf hochlehnige,
     mit ungarischer Stickerei bezogene Stühle standen, nahm die Mitte ein. Die Wand zwischen den beiden Fenstern starrte von altertümlichen
     Hieb- und Stichwaffen. An der gegenüberliegenden Wand hatte der Glasschrank mit den Dokumenten Platz gefunden und rechts und
     links davon zwei der rustikalen Louis-Quinze-Kommoden aus der Grange Forte, an denen Meyssonnier neue Füße angebracht und
     die Türen wiederhergerichtet hatte. Mathilde Meyssonnier hatte sie mit Liebe poliert, und das warme dunkle Nußholz vor der
     goldgelben steinernen Wand erschien mir sehr schön. Auch die großen Steinfliesen, die die Menou frisch gewaschen hatte, glänzten.
     Und obwohl die Sonne schien und ihre Strahlen schräg durch die bunten kleinen Scheiben fielen, hatte die Menou unter dem Vorwand,
     die Luft sei kalt – in Wirklichkeit, weil sie meinte, ein Feuer könnte die Würde der Ausstattung noch erhöhen –, in den einander
     gegenüberliegenden monumentalen Kaminen zwei hell lodernde Flammen entzündet.
    Ich hatte die Menou gebeten, die Glocke im Torbau zu läuten, sobald die Gefährten des Zirkels in ihren Wagen auf dem Parkplatz
     vor dem äußeren Burgwall ankämen; Momo war im Maschinenraum der zweiten Umwallung als Späher postiert und hatte den Auftrag,
     bei der Ankunft meiner Freunde die Zugbrücke über die Gräben herabzulassen.
    Ich gebe zu, daß diese Vorkehrungen ein wenig theatralisch waren, aber schließlich war Malevil nicht irgendeine beliebige
     Burg, noch wurden irgendwelche beliebigen Freunde erwartet.
    Sobald ich die Glocke hörte, verließ ich im Laufschritt den Wohnbau und stieg eiligst in den kleinen Turm hinauf, in dem Momo
     die Winde drehte. Alles funktionierte prächtig; unter dem gedämpften und dramatischen Gerassel gutgeölter Ketten |49| senkten sich mit majestätischer Langsamkeit die schwenkbaren Bäume herab, an deren Ende zwei andere Ketten die Brücke trugen.
     Ein Zusammenspiel von Flaschenzügen und Gegengewichten erleichterte beim Aufziehen die Operation und bremste sie beim Hinablassen.
     Momo machte ein ernstes Gesicht; den mageren Körper straff gebeugt, hielt er, wie ich es ihn gelehrt hatte, die Griffe der
     Haspel fest, um die Brückenplatte sacht auf den Boden niederzubringen.
    Durch das viereckige Fensterloch konnte ich meine Gefährten sehen, die im äußeren Burghof in einer Reihe die fünfzig Meter
     zurücklegten, die sie noch von den Wassergräben trennten, und zu uns heraufblickten. Auch sie bewegten sich langsam und ohne
     zu reden, als wäre ihnen bewußt, daß sie in dieser Szene ihre Rolle zu spielen hatten.
    Überhaupt lag etwas wie feierliche Erwartung in der Luft; sogar die Pferde, die ihre Köpfe in langer Reihe gleichmäßig über
     die Gatter ihrer Boxen streckten, hingen mit ihren schönen, sensiblen Augen furchtsam an der Zugbrücke und horchten auf das
     Knirschen der Ketten.
    Sobald die Brückentafel auflag, ging ich hinunter und öffnete meinen Gefährten das Tor, genauer: die kleine Tür, die in seinem
     rechten Flügel eingelassen war.
    »Eine Ankunft, die sich sehen lassen kann!« sagte der kleine Colin mit seinem gondelförmigen Lächeln und blickte mich aus
     seinen lebhaften Augen verschmitzt an.
    Der große Peyssou, ein breites Lächeln auf seinem Gesicht, bewunderte das starke Profil der schwenkbaren Bäume, die Dicke
     der Ketten, die Solidität der eisenbeschlagenen Brückentafel. Meyssonnier sagte nichts. In seinem strengen Herzen eines Kommunisten
     gab es keinen Platz für solche Kindereien.
    Peyssou wollte gleich in das viereckige Türmchen hinaufklettern und die Zugbrücke selbst hochziehen. Das tat er denn auch
     mit einem Aufwand von Muskelkraft, der völlig unnötig war, denn der kleine Colin, der darauf bestand, ihn abzulösen, vollendete
     die Operation ohne Mühe. Allerdings mußte man die Brücke wieder herablassen, weil Monsieur Paulat ja noch nicht eingetroffen
     war. Jetzt aber schritt Momo mit den energischen Worten ein: Lammido infrin vadammomal! (Laßt mich doch in Frieden, verdammt
     noch mal!), und bemächtigte sich wieder seiner Maschinerie. Meyssonnier war uns gefolgt, doch |50| erhaben über unsere reaktionäre Begeisterung für die feudale Architektur, sagte er kein Wort und tat nicht mit.
    Kaum sitzen wir im Wohnraum um den monumentalen Tisch beisammen, fragt mich Peyssou, wie es Birgitta gehe und wann wir dieses
     hübsche Weibsstück wieder einmal zu sehen bekämen. Zu Ostern.

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