Malevil
nichts Spaßiges. Daß Vilmain Lügen über seine Identität verbreitet
hat, erscheint ihm als zusätzliches Verbrechen. Mir nicht. Ich bin nicht einmal sehr erstaunt. Nach Hervés Berichten hatte
ich wiederholt den Eindruck gehabt, daß Vilmain zu dick auftrug, daß er in seiner Ausdrucksweise übertrieb. Also ein falscher
Priester und ein falscher Para! Was für Hochstapler! Liegt das an dem neuen Zeitalter?
Thomas reicht mir den Berufsausweis, ich werfe einen Blick darauf, stecke ihn in meine Brieftasche und erzähle nun meinerseits,
welchen Anteil Fulbert an den Gefahren hat, denen wir ausgesetzt waren. Peyssou läßt einen Ausruf der Verwunderung hören.
Und Thomas beißt wortlos die Zähne zusammen.
Am Ort des Hinterhalts finden wir Meyssonnier, Hervé, Maurice und die Gefangenen wieder. Wir nehmen sie auf den Wagen, dazu
die Gewehre, die Panzerfaust, die Munition und auch das Fahrrad. Neun Mann sind selbst für unseren Malabar von einigem Gewicht,
und an den etwas beschwerlichen Steigungen klettern wir alle, außer Jacquet, vom Wagen. Das nutze ich, um meinen Plan darzulegen.
»Vorerst eine Frage, Burg. Haben die Leute in La Roque dir oder Jeannet etwas vorzuwerfen?«
»Was sollten sie uns vorzuwerfen haben?« fragt Burg mit einem Anflug von Entrüstung.
»Das weiß ich doch nicht. Brutalitäten, Übertretungen.«
»Das kann ich dir sagen«, antwortet Burg, im Glanz seiner Tugend. »Brutalität, das ist nicht mein Fall, auch nicht der von
Jeannet. Und wegen des übrigen«, fügt er plötzlich freimütig hinzu, »das kann ich dir auch sagen, da habe ich keine Gelegenheit
gehabt. Ein Neuer hatte bei Vilmain keine Rechte. Bei einer Übertretung hätte ich mir eine Bestrafung von seiten der Altgedienten
eingehandelt.«
Mit halbem Ohr höre ich Peyssou hinter meinem Rücken Meyssonnier fragen, was »übertreten« bedeute.
»Zweite Frage: Ist das Südtor von La Roque bewacht?«
»Ja«, sagt Jeannet. »Vilmain hat einen Burschen aus La Roque auf Posten geschickt, einen gewissen Fabr…«
|495| »Fabrelâtre?«
»Ja.«
»Was? Was?« fragt Peyssou, der näher kommt, als er mich lachen hört.
Ich wiederhole. Nun lacht auch er.
»Und Fabrelâtre, dem hat man ein Gewehr gegeben?«
»Ja.«
Das Gelächter wird stärker.
»Kein Problem«, fahre ich fort. »Wenn wir nach La Roque kommen, zeigen sich nur Burg und Jeannet. Sie lassen sich öffnen.
Wir entwaffnen Fabrelâtre, und Jacquet bewacht gleichzeitig ihn und Malabar.«
Ich schiebe eine Pause ein.
»Und damit beginnt das Possenspiel«, sage ich augenzwinkernd zu Burg und lächle ihm zu.
Er erwidert mein Lächeln. Er ist hingerissen von der Komplizenschaft, die ich zwischen ihm und mir einführe. Er verspricht
sich Gutes davon für die Zukunft. Um so mehr, als ich mich unterbreche, um das von Peyssou mitgeführte Paket zu öffnen und
die belegten Brote zu verteilen. Burg und Jeannet sind entzückt von dem Landbrot, insbesondere Burg in seiner Eigenschaft
als Koch.
»Backt ihr dieses Brot selbst?« fragt er respektvoll.
»Was sonst!« sagt Peyssou. »In Malevil machen wir alles, den Bäcker, den Maurer, den Tischler, den Klempner. Und Emmanuel,
der macht dir sogar sehr gut den Pfarrer. Ich bin der Maurer«, fügt er mit Bescheidenheit hinzu.
Gewiß, von der Erhöhung des Burgwalls wird er nicht sprechen, aber ich sehe wohl, daß er daran denkt und daß es ihn freudig
bewegt, den kommenden Jahrhunderten dieses Meisterwerk zu hinterlassen.
»Auf die Hefe kommt es an«, mischt sich Jacquet, vom Wagen herab, in das Gespräch. »Wir haben bald keine mehr.«
»Im Schloß von La Roque gibt es eine Menge davon«, sagt Burg, glücklich, uns nützlich sein zu können.
Er beißt mit seinen kräftigen weißen Zähnen in das Brot und denkt sich dabei, das Haus ist gut geführt.
»Das nun ist der Plan«, sage ich. »Sobald Fabrelâtre ausgeschaltet ist, gehen allein Burg und Hervé mit umgehängtem Gewehr
nach La Roque hinein. Sie suchen Fulbert auf und erzählen |496| ihm: Vilmain hat Malevil eingenommen. Er hat Emmanuel Comte gefangengenommen und schickt ihn dir. Du sollst in Anwesenheit
aller in der Kapelle versammelten Einwohner von La Roque sogleich über ihn richten.«
Die Reaktionen sind unterschiedlich: Peyssou, Hervé, Maurice und die zwei Gefangenen sind sprachlos vor Staunen. Meyssonnier
blickt mich fragend an. Thomas ist ablehnend. Jacquet dreht sich auf seinem Wagen um und schaut mich an; er hat Angst um
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