Malevil
ihr, dasselbe ganz allein zu tun, was sie, trotz ihrer Kleinheit, sehr rasch, sehr gut und
mit einer Behendigkeit ausführt, die ich bewundere, denn sie verschmäht es, sich auf einen nahen Baumstumpf zu stellen, um
den Abstand bis zum Steigbügel zu verringern, oder auch nur das abfallende Gelände auszunutzen, wie Colin das macht. Freilich,
er ist schwer mit Waffen beladen, er trägt das 36er-Gewehr, den Bogen, einen Köcher, den er sich gebastelt hat, Vilmains Pistole
am Gürtel und um den Hals meinen Feldstecher, den er »vergessen« hat, mir zurückzugeben. Da der Niederwald an dieser Stelle
sehr dicht ist, reite ich, um Colins Bogen zu schonen, vorerst im Schritt, und Morgane, die hinter mir geht, hat ihren Kopf
beinahe auf Amarantes Kruppe. Doch Amarante, so grausam sie gegen die Hühner ist, schlägt nicht nach ihren Gefährtinnen aus.
Höchstens, daß sie ihnen, um ihren Vorrang merken zu lassen, ein wenig an der Schulter knabbert. Ich spüre Evelynes Augen
auf meinem Rücken. Ich drehe mich in meinem Sattel um und lese eine Frage in ihrem Blick.
»Wir haben zwei Gefangene gemacht«, sage ich.
Hernach falle ich in Galopp. Im Gelände vor Malevil taucht mit ängstlich besorgtem Gesicht Peyssou auf, den ich vorerst nicht
sehe, weil er sich auf dem Sommerweg der Straße, auf dem vorgeschobenen Posten, versteckt hat. Ich rufe: Alles heil und gesund!
Da brüllt er vor Freude los und schwingt sein Gewehr. Amarante vollführt überrascht einen Seitensprung, Morgane desgleichen,
und Mélusine macht einen Hopser, der Colin aus dem Sattel hebt und rittlings auf den Pferdehals schleudert, wo er sich mit
beiden Händen an die Mähne klammert. Glücklicherweise bleibt Mélusine stehen, als sie die zwei anderen Stuten halten sieht,
und Colin kann zurückrutschen, was er auf höchst komische Art tut, indem er mit den Hinterbacken nach rückwärts Fühlung mit
dem Sattelknopf sucht, um sich daran hochzuziehen und auf den Sattel zurückzusinken. Wir müssen lachen.
»Du Vollidiot!« schimpft Colin. »Siehst du nicht, was du beinahe angerichtet hättest!«
|491| »Klar, aber trotzdem!« sagt Peyssou. »Ich dachte eben, daß du reiten kannst!«
Ich muß so lachen, daß ich lieber absteige. Es ist ein kindisches Gelächter, das mich dreißig Jahre zurückversetzt, wie mich
auch Peyssous Püffe und Rippenstöße dahin zurückversetzen, der wie eine große Dogge über mich herfällt. Auch ich brülle ihn
an, denn der Lump tut mir weh mit seinen ungeheuren Schaufeln. Zum Glück werde ich seiner Zärtlichkeit durch Catie und Miette
entrissen, die auf mich zugelaufen kommen. Ich habe dein Lachen erkannt, sagt Catie. Schon vom Burgwall aus habe ich es erkannt!
Sie umarmt mich. Das nun ist sanfter, samtweich sogar. Und dann erst Miette, schmelzend. Mein armer Emmanuel, sagt die Menou
wenige Augenblicke später, als sie mir mit ihren trockenen Lippen die Wange streift. Sie sagt es, als wäre ich bereits gestorben.
Jacquet sieht mich wortlos an, er hält den Spaten in der Hand, mit dem er ein Grab für die vier getöteten Feinde aushebt,
und Thomas, dem Augenschein nach unbeteiligt, sagt zu mir: Ich habe die Stiefel geborgen, sie sind noch gut. Ich habe ein
besonderes Fach im Lagerraum frei gemacht.
Falvine zerfließt. Wie Schweineschmalz in der Sonne rinnt sie unter Tränen nach allen Seiten auseinander. Sie wagt sich nicht
näher heran, weil sie sich an meine Zurechtweisung vom Vortag erinnert. Ich aber gehe auf sie zu und gebe ihr großmütig einen
kurzen Schmatz, so überglücklich fühle ich mich, wieder in Malevil zu sein, inmitten der Gemeinschaft, im Schoß unserer Familie.
»Abgeschossen: sechs. Gefangen: zwei«, sagt der kleine Colin, der, die Hand auf seiner Pistolentasche, großspurig einherstolziert.
»Erzähl doch, Emmanuel!« sagt Peyssou.
Ich hebe im Gehen beide Arme.
»Keine Zeit! Wir brechen sofort wieder auf. Und zwar mit dir, mit Thomas und mit Jacquet. Colin bleibt und übernimmt das Kommando
in Malevil. Habt ihr gegessen?« frage ich, an Peyssou gewendet.
»War wohl auch nötig«, sagt Peyssou, als ob ich es ihm vorgeworfen hätte.
»Das habt ihr gut gemacht. Menou, richte sieben belegte Brote her.«
|492| »Sieben? Warum sieben?« fragt die Menou, schon wieder kratzbürstig.
»Colin, ich, Hervé, Maurice, Meyssonnier und die zwei Gefangenen.«
»Die Gefangenen«, sagt die Menou, »du wirst doch dieses Gesindel nicht auch noch ernähren!«
Jacquet
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