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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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mich.
    »Ihr überzeugt euch«, fahre ich fort, »ob alle Leute tatsächlich in der Kapelle versammelt sind, und holt mich vom Südtor
     ab. Ich erscheine dann allein und unbewaffnet, von Burg, Jeannet, Hervé und Maurice mit umgehängtem Gewehr eskortiert. Und
     der Prozeß beginnt. Da man dich, Hervé, für Vilmains Bevollmächtigten halten wird, wirst du mir erlauben müssen, mich zu verteidigen,
     und wirst diejenigen aus La Roque, die eingreifen wollen, sprechen lassen.«
    »Und wir?« fragt Peyssou, dem es leid tut, dieses Schauspiel zu versäumen.
    »Ihr werdet zum Schluß eingreifen, sobald Maurice euch abholt. Ihr müßt alle vier kommen und Fabrelâtre mitbringen. Jacquet,
     hast du an die Longe für Malabar gedacht?«
    »Ja«, sagt Jacquet mit angsterfülltem Blick.
    »Ich habe Burg gewählt«, fahre ich fort, »weil er Fulbert als Koch bekannt ist, und Hervé wegen seines schauspielerischen
     Talents. Reden soll als einziger Hervé. Auf diese Weise könnt ihr sicher sein, einander nicht zu widersprechen.«
    Schweigen. Hervé streicht sich mit der Miene des Fachmanns seinen Spitzbart. Ich fühle, er memoriert bereits seine Rolle.
    »Jetzt könnt ihr wieder aufsitzen«, sagt Jacquet und hält Malabar an.
    »Los, ihr andern«, sage ich mit einer Handbewegung, die die Neuen und die Gefangenen umfaßt. »Ich habe noch mit meinen Gefährten
     zu reden.«
    Ich merke, bei Thomas ist ein Abszeß im Entstehen, den ich aufschneiden möchte, bevor er anschwillt. Ich lasse das Fuhrwerk
     etwa zehn Meter vorausfahren. Wir gehen in einer Reihe, Thomas zu meiner Linken, Meyssonnier zu meiner Rechten, Peyssou rechts
     von Meyssonnier.
    |497| »Was soll das Theater?« fragt Thomas wütend. »Worauf läuft das alles hinaus? Es ist ganz und gar unnötig, wir brauchen Fulbert
     bloß am Schlafittchen zu nehmen, an die Wand zu stellen und zu erschießen!«
    Ich wende mich an Meyssonnier.
    »Bist du mit dieser Analyse der Lage einverstanden?«
    »Hängt davon ab«, sagt Meyssonnier, »was wir in La Roque tun werden.«
    »Wir werden tun, was wir gesagt haben: die Macht übernehmen.«
    »Das dachte ich mir«, sagt Meyssonnier.
    »Oh, nicht, weil mich das so begeistert, aber es muß sein. Die Schwäche von La Roque schwächt auch uns, sie stellt eine ständige
     Gefahr für uns dar. Die erstbeste Bande kann sich des Ortes bemächtigen und sie als Basis benutzen, um uns anzugreifen.«
    »Außerdem«, sagt Peyssou, »haben sie sehr fruchtbaren Boden in La Roque.«
    Auch ich habe daran gedacht. Ich habe es nicht geäußert. Ich möchte nicht, daß Thomas mich der Habgier bezichtigt. Das ist
     abwegig. Das Problem stellt sich für mich unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit, nicht des Besitzes. In wenigen Monaten habe
     ich mich von jedem Besitzeregoismus frei gemacht. Ich erinnere mich nicht einmal mehr daran, daß Malevil mir ehemals gehört
     hätte. Hingegen befürchte ich, daß sich eines Tages ein energischer Anführer des Fleckens bemächtigen und daß der Reichtum
     des Bodens zu einem Potential der Stärke werden könnte. Ich möchte keinen Nachbarn haben, der imstande wäre, uns zu unterjochen.
     Ich möchte auch La Roque nicht unterjochen. Ich möchte eine Vereinigung von zwei gleichberechtigten Gemeinschaften, die einander
     helfen und beistehen, von denen aber jede den ihr eigentümlichen Charakter bewahrt. 1
    »In diesem Falle«, sagt Meyssonnier, »darf man Fulbert nicht füsilieren.«
    »Und warum nicht?« fragt Thomas aggressiv.
    |498| »Man muß vermeiden, bei der Machtübernahme Blut zu vergießen.«
    »Und insbesondere«, werfe ich ein, »darf man nicht das Blut eines Priesters vergießen.«
    »Er ist ein falscher Priester«, sagt Thomas.
    »Das hat nichts zu bedeuten, solange es Leute gibt, die ihn für echt halten.«
    »Zugegeben«, sagt Thomas. »Ich verstehe nur noch immer nicht den Grund für deine Inszenierung. Das ist unseriös, das ist Theater!«
    »Es ist Theater. Aber es hat einen ganz bestimmten Zweck: Fulbert so weit zu bringen, daß er vor ganz La Roque seine Komplizenschaft
     mit Vilmain enthüllt. Das wird er mit um so mehr Zynismus tun, als er sich in der Position des Stärkeren glaubt.«
    »Und dann?«
    »Dann haben wir ein Geständnis, dessen wir uns in einem Gegenprozeß gegen ihn bedienen werden.«
    »Aber ohne Verurteilung zum Tode?«
    »Glaube mir, nichts würde mir größeres Vergnügen machen, aber wir haben dir gesagt, es ist nicht möglich.«
    »Was dann?«
    »Ich weiß nicht,

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