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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Bischof von La Roque. Er griff mit Klugheit und Geschicklichkeit |540| ein, hörte alle an und führte dann das System einer öffentlichen Gemeinschaftsbeichte an jedem Sonntagmorgen ein. Alle sollten
     der Reihe nach sagen, was sie sich selbst und den anderen vorzuwerfen hatten, wobei sich verstand, daß die Angeschuldigten
     ihrerseits das Recht auf Entgegnung hatten, sei es, um zu protestieren, sei es, um ihre Fehler zuzugeben. Emmanuel wohnte
     der ersten dieser Veranstaltungen in La Roque als Beobachter bei und war mit ihr so zufrieden, daß er Malevil überzeugte,
     das gleiche System zu übernehmen.
    Emmanuel nannte es das »Waschen schmutziger Wäsche im Familienkreis«: eine heilsame und sogar unterhaltende Einrichtung, sagte
     er zu mir.
    Er erzählte mir, daß sich eine Frau in La Roque erhoben habe, um Judith vorzuwerfen, daß sie mit Männern nicht reden könne,
     ohne ihnen den Arm zu befummeln. Das war schon komisch genug, sagte Emmanuel, am komischsten aber sei die ehrlich überraschte
     Antwort Judiths gewesen: Es ist mir nicht bewußt, daß ich so etwas tue, sagte sie in ihrer wohlartikulierten Sprechweise.
     Sind hier Personen zugegen, die diese Aussage bekräftigen könnten?
    Was beweist, fügte Emmanuel lachend hinzu, wie gut es ist, wenn andere uns sagen, wie sie uns sehen, da man sich selbst ja
     doch nicht sieht.
    Keine Rede mehr hingegen von individueller Beichte. Gazel mußte auf das Privileg verzichten, den anderen die Absolution zu
     erteilen oder zu verweigern, ein Privileg, auf das er so viel Wert legte und das Emmanuel, man erinnert sich, »ungeheuer lich « fand und niemals ohne Unbehagen ausübte.
    Bevor er die pfiffige Lösung gefunden hatte, die der »Inqui sition « des Pfarrers von La Roque ein Ende bereiten sollte, zeigte sich Emmanuel über die Differenz zwischen Gazel und Meyssonnier
     tagelang sehr besorgt. Ich erinnere mich, daß er wiederholt mit mir darüber sprach, insbesondere wenn wir uns in seinem Zimmer
     am Schreibtisch gegenübersaßen, während Evelyne bleich und erschöpft in dem großen Bett lag und sich von einem sehr heftigen
     Asthmaanfall erholte (der, meine ich, auf den Einzug von Agnès Pimont in Malevil zurückzuführen war).
    »Siehst du, Thomas, in einer Gemeinschaft darf es nicht zwei Führer geben: einen geistlichen und einen weltlichen. Es |541| soll nur einer sein. Andernfalls haben wir Spannungen und Konflikte ohne Ende. Wer in Malevil die Führung hat, muß auch Geistlicher
     in Malevil sein. Wenn du eines Tages nach meinem Tode zum militärischen Anführer gewählt wirst, mußt auch du …«
    Ich protestierte: »Kein Gedanke! Das wäre gegen meine Überzeugung!«
    »Wir pfeifen auf deine persönliche Überzeugung!« unterbrach er mich heftig. »Die zählt absolut nicht! Was zählt, ist Malevil
     und die Einigkeit Malevils! Du solltest das begreifen: keine Einigkeit, kein Überleben!«
    »Aber hör mal, Emmanuel, du denkst doch wohl nicht, daß ich aufstehe, mich vor die Gefährten stelle und anfange, Gebete herzusagen?«
    »Und warum nicht?«
    »Ich käme mir lächerlich vor.«
    »Und warum kämst du dir lächerlich vor?«
    Seine Frage war so scharf und deutlich, daß ich nichts mehr zu sagen wußte. Und bald darauf fuhr er viel gelockerter fort,
     als spräche er gleichermaßen mit sich selbst und mit mir.
    »Ist es denn so blödsinnig, zu beten? Wir sind umgeben von Unbekanntem. Da wir Optimismus brauchen, um zu überleben, nehmen
     wir an, dieses Unbekannte sei wohlwollend, und wir bitten es, uns beizustehen.«
    Um Emmanuels »Glauben« einzuschätzen, haben wir, mangels wirklich »engagierter« Texte von seiner Hand, die Wahl zwischen einer
     Maximal- und einer Minimalhypothese. Was mich anbelangt, empfinde ich kein Verlangen, zwischen den beiden zu wählen, aber
     ich führe die Äußerungen, die man eben gelesen hat, mehr als Bekräftigung der Minimalhypothese an.
    Zu schreiben, was nun folgt, schmerzt mich so sehr, daß ich es sehr rasch, sehr trocken und mit einem Minimum an Details erzählen
     will. Unglücklicherweise gibt es keine wundertätigen Kräfte, denn wenn ich das Vorkommnis durch Schweigen aus der Welt schaffen
     könnte, würde ich schweigen bis ans Ende der Zeiten.
    Während des Frühlings und Sommers 1978 und 1979 hatten Malevil und La Roque mit vereinten Kräften zwei Plündererbanden vernichtet.
     Wir hatten mit unserem Nachbarort eine visuelle |542| und auditive Fernverbindung hergestellt, die es uns ermöglichte, uns bei

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