Malevil
Weile.
»Mädchen?« fragte Peyssou.
»Einen Jungen, zwei Mädchen.«
»Zwei Mädchen!« sagte Peyssou. Doch er ließ das Thema fallen, und es herrschte wieder drückendes Schweigen.
»Menou«, sagte ich, »geh doch mal drei Gläser für die Herren holen.«
»Nicht nötig«, sagte Peyssou und feuchtete sich die Lippen an.
|69| »Momo«, sagte die Menou, »geh du die Gläser holen, du siehst ja, daß ich beschäftigt bin.«
In Wirklichkeit hatte sie keine Lust, den Keller gerade in dem Moment zu verlassen, als die Unterhaltung interessant zu werden
begann.
»Igenni!« sagte Momo. (Ich geh nicht!)
»Willst du einen Tritt in den Hintern?« sagte die Menou und stand mit drohender Miene auf.
Mit einem Satz brachte sich Momo außer Reichweite. »Igenni!« wiederholte er und stampfte wütend auf den Boden.
»Du gehst jetzt!« sagte die Menou und machte einen Schritt auf ihn zu.
»Momo genni!« rief Momo herausfordernd, die Hand auf der Türklinke und bereit, zu entwischen.
Menou schätzte die Entfernung bis zur Tür ab und setzte sich ruhig wieder hin.
»Wenn du gehst«, sagte sie in friedfertigem Ton und betätigte den Hebel für den Flaschenverschluß, »mache ich dir heute abend
Bratkartoffeln.«
Lüsternheit breitete sich auf Momos schlecht rasiertem Gesicht aus und ließ seine kleinen schwarzen Augen aufglänzen, muntere
und unschuldige Tieraugen.
»Abemach?« fragte er lebhaft. Mit der einen Hand wühlte er in seiner struppigen schwarzen Mähne, mit der anderen in seinem
Hosenschlitz.
»Abgemacht«, sagte die Menou.
»Igee«, sagte Momo. Hingerissen lächelnd, verschwand er so schnell, daß er nicht einmal die Türen hinter sich zumachte. Wir
hörten, wie seine benagelten Treter auf den Steinplatten der Treppe hallten.
Der große Peyssou wendete sich an die Menou.
»Dein Junge macht dir wohl ganz schön zu schaffen«, sagte er höflich.
»Na ja, er hat eben auch seinen Willen!« sagte die Menou mit zufriedener Miene.
»Jetzt stehst du da und kannst heute abend kochen«, sagte Colin.
Menous Totenkopf zog sich in Falten.
»Es trifft sich gut«, sagte sie auf patois, »daß heute sowieso |70| mein Tag ist, wo ich Friten mache. Er hat bloß nicht daran gedacht, der arme Kerl!«
»Durchtrieben, das Weibsvolk«, sagte der kleine Colin mit seinem gondelförmigen Lächeln. »Die führen dich am Nasenzipfel herum!«
»An allen Zipfeln«, sagte Peyssou.
Wir lachten, und alle drei sahen wir gerührt auf Peyssou. So war er, der große Peyssou. Immer der gleiche. Immer schweinigeln.
Schweigen. Man ließ sich immer Zeit in Malejac. Man fiel nie mit der Tür ins Haus.
»Es macht euch doch nichts aus«, sagte ich, »wenn ich weiter meinen Wein abziehe, während ihr mit mir sprecht?«
Ich sah, wie Colin Meyssonnier zuzwinkerte, doch der blieb still. Sein Gesicht, schmal wie eine Messerklinge, erschien noch
länger, und seine Augenlider flatterten.
»Gut«, sagte Colin. »Wir wollen dich ins Bild setzen, weil du ja hier in Malevil nicht alles erfährst. Der Brief an den Bürgermeister
hat viel Aufsehen erregt. Er ging von Hand zu Hand, und die Wirkung unter den Leuten war günstig. Soweit ist alles in Ordnung.
Der Wind dreht sich. Doch auf Paulat müssen wir aufpassen.«
»Er wird jetzt wohl munter?«
»O ja. Besonders seit er gemerkt hat, daß der Wind gegen den Bürgermeister weht. Er hat überall erklärt, mit dem Brief wäre
er einverstanden. Er gibt sogar zu verstehen, er hätte ihn selber verfaßt …«
»Ach was!« sagte ich.
»Er hat ihn bloß nicht unterschrieben«, fuhr Colin fort, »weil er seine Unterschrift nicht neben die eines Kommunisten setzen
wollte.«
»Wohingegen«, sagte ich, »es ihm wohl recht wäre, mit einem Kommunisten auf einer Kandidatenliste zu erscheinen unter der
Bedingung, daß der Kommunist nicht obenan steht.«
»Genau!« sagte Colin. »Du hast es erfaßt.«
»Dann soll ich wohl die Liste anführen. Ich würde zum Bürgermeister gewählt, Paulat würde Erster Stellvertreter, und da ich
zu beschäftigt bin, um mich mit der Gemeindeverwaltung zu befassen, kann er sie an sich reißen.«
Ich hielt in meiner Arbeit inne und drehte mich zu ihnen um.
|71| »Na schön. Und nun? Was gehen uns die Schliche Paulats an? Wir kümmern uns nicht drum, basta.«
»Aber die Leute sind sich ziemlich einig«, sagte Colin.
»Einig worüber?«
»Daß du Bürgermeister werden sollst.«
Ich fing an zu lachen.
» Ziemlich
einig?«
»Das ist nur so geredet«,
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