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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Plackerei. Allerdings eine Plackerei, die ich mir nicht ersparen
     kann. Zwei Leute würden für das Geschäft hinreichen, einer muß abziehen, der andere verkorken, aber Momo ist für beides nicht
     zu gebrauchen. Wenn er abzieht, versichert er sich, kaum ist der Heber angesetzt, der richtigen Ankunft des Weins, indem er
     den Schlauch an seine Lippen führt, bevor er ihn in den Hals der Literflasche steckt. Wenn er verkorkt, nimmt er von jeder
     Flasche einen Schluck, bevor er sie zumacht.
    |67| Ich besorge also das Abziehen, die Menou das Verkorken und Momo abwechselnd den Transport der leeren und der vollen Flaschen
     vom einen zum andern. Selbst dabei kommt es häufig zu Zwischenfällen. Von Zeit zu Zeit höre ich die Menou brüllen: »Momo,
     willst du vielleicht einen Tritt in den Hintern?« Ich brauche den Kopf nicht zu heben. Ich weiß, Momo steckt die angekostete
     Flasche eiligst in den eisernen Tragkorb zurück. Ich weiß es, weil Momo, die Beschuldigung durch den Augenzeugen für nichts
     achtend, mit empörter Stimme ausruft: »Waidedan!« (Was hab ich denn getan!)
    Wenn ich abziehe, steigt in der Flasche der Wein so schnell, daß er ständige Aufmerksamkeit erfordert. Übrigens ist es erstaunlich,
     wie eine manuelle Arbeit, selbst wenn sie so mechanisch betrieben wird wie diese, jede nützliche Überlegung unmöglich macht.
     Freilich trägt die schleppende Melodie aus dem Transistor (jüngstes, unglückseliges Geschenk der Menou), den Momo über der
     Schulter hängen hat, auch nicht zur Konzentration bei.
    Meine anfängliche üble Laune überwand ich allmählich, doch viel Begeisterung brachte ich für das, was ich tat, nicht auf.
     Weinabziehen war keine berauschende Tätigkeit, es sei denn, man faßte sie wie Momo auf. Doch getan mußte es werden. Es war
     mein Wein. Ich war recht stolz auf seine Qualität, recht zufrieden, mit der Menou zu arbeiten, und zugleich recht gereizt
     über Momos Faxen und seine Schnulzen. Kurzum, ich erlebte einen ganz gewöhnlichen, alltäglichen Moment meines Lebens, mit
     gemischten, einander widersprechenden und flüchtigen Gefühlen, mit Gedanken oder schwachen Ansätzen zu Gedanken, die mich
     nicht sehr interessierten, und mit einer sehr bescheidenen Dosis verbliebenen Ärgers.
    Gewaltig, wie in den Tragödien Shakespeares, wurde an die Tür geklopft, und Meyssonnier, gefolgt von Colin und dem großen
     Peyssou, hielt sehr undramatisch Einzug, obgleich er – ich merkte es gleich, allein schon an der Art, wie er blinzelte – in
     höchstem Grade verstimmt war. »Wir haben dich überall gesucht«, sagte er und trat näher, gefolgt von den beiden andern.
    Ich stellte mit Ärger fest, daß er die beiden Türen des gewölbten Vorkellers offengelassen hatte.
    »Mächtig groß, dein Laden hier. Zum Glück haben wir Thomas getroffen, der uns Bescheid gesagt hat.«
    |68| »Was!« sage ich und reiche ihm über die Schulter hinweg die linke Hand, während ich auf den Wein aufpasse. »Thomas ist noch
     nicht gegangen?«
    »Nein, er saß auf den Stufen des Bergfrieds in der Sonne und studierte seine Karten.«
    Meyssonnier sagte das in einem bestimmten Tonfall, denn ein junger Mann, der so viel Zeit damit verbrachte, die Steine zu
     erforschen, flößte ihm Respekt ein.
    »Meine Hochachtung, Herr Graf«, sagte Colin. Seit ich Malevil erworben hatte, fand er es spaßig, mich »Herr Graf« zu nennen.
    »Salut«, sagte der große Peyssou.
    Ich sah sie nicht an, sondern beobachtete das Steigen des Weins in der Flasche. Es trat ein peinliches Schweigen ein.
    »Kommt nicht deine Deutsche bald mal wieder?« fragte der große Peyssou, der diese Peinlichkeit spürte.
    Das war ein harmloses Thema. So dachte er wenigstens.
    »Sie kommt nicht mehr«, sagte ich jovial. »Sie heiratet.«
    »Davon hattest du mir gar nichts gesagt«, bemerkte die Menou vorwurfsvoll. »Sieh mal einer an!« fuhr sie spöttisch fort. »Sie
     heiratet!«
    Ich merkte, daß es sie juckte, Moral zu predigen, doch erinnerte sie sich wohl, auf welche Weise sie selber ihren Mann geheiratet
     hatte, und sie schwieg.
    »Nicht möglich!« sagte der große Peyssou. »Sie heiratet? Ach, tut mir wirklich leid, wo ich’s doch mit ihr machen wollte.«
    »Du hast nun keine Hilfe mehr«, sagte Colin.
    Der Wein stieg so rasch, daß ich mich nicht umwenden konnte, um Meyssonnier anzusehen. Doch ich nahm zur Kenntnis, daß er
     den Mund nicht auftat.
    »Zum Monatsende bekomme ich drei Leute«, sagte ich nach einer

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