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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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jetzt war niemand auf den Gedanken gekommen.
    »Gehen wir«, sagte Meyssonnier und machte ein paar steife Schritte auf die Tür zu.
    Ich trat ihm in den Weg und nahm ihn beiseite.
    »Du und Colin«, sagte ich leise, »ihr müßt darauf achten, daß ihr Peyssou nicht allein laßt. Du verstehst, warum. Am besten,
     ihr bleibt alle drei beisammen.«
    »Daran habe ich auch gedacht«, sagte Meyssonnier.
    Thomas, den Geigerzähler in der Hand, trat ebenfalls heran.
    »Ich komme mit euch«, sagte er zu Meyssonnier in dem Augenblick, als Colin, gefolgt von Peyssou, auf uns zukam.
    Alle drei blieben stehen und blickten ihn an.
    »Du hast keinen Grund mitzukommen, zumal ein Risiko dabei ist«, sagte Colin zu Thomas und vergaß, daß er bis dahin immer Sie
     zu ihm gesagt hatte.
    »Ihr werdet mich brauchen«, sagte Thomas und zeigte auf den Zähler.
    Es trat Schweigen ein, und Meyssonnier sagte mit belegter Stimme: »Wir wollen Germains Leiche mitnehmen und am Eingang zum
     Vorhof hinlegen, bis wir sie begraben.«
    Ich sagte kaum danke, rechnete es ihm aber hoch an, daß er an Germain gedacht hatte, während er selber in solchen Ängsten
     war. Ich sah ihnen nach. Thomas ging voraus, die Kopfhörer griffbereit um den Hals und den Zähler in der Hand. Meyssonnier
     und Peyssou, die sich mit Germain abmühten, folgten. Colin, der kleiner und zarter erschien denn je, beschloß den Zug.
    Die Tür fiel zu, und ich stand davor, in Angst um meine Gefährten und im Zweifel, ob ich ihnen nicht nachgehen sollte.
    »Ich habe keine vollen Flaschen mehr zum Verkorken«, sagte die Menou hinter meinem Rücken in ruhigem Ton.
    Ich kehrte zu meinem Hocker zurück, setzte mich und machte mich wieder an meine Arbeit. Ich war sehr hungrig, aber ich wollte
     nicht ein Beispiel von Disziplinlosigkeit geben, indem ich mich als Herr aufführte und an meinen Schinken ging. Die Lebensmittel
     hatte die Menou in ihre Obhut genommen, und so war es richtig. Sie würde ganz bestimmt gerecht sein.
    |104| »Los, Momo«, sagte die Menou, als sie merkte, daß ich nicht genug leere Flaschen hatte.
    Und während Momo aufstand und einen Tragekorb vollpackte, sagte sie, ohne die Stimme zu heben, doch in festem Ton: »Und trink
     nicht unterwegs, denn was du jetzt zuviel trinkst, nimmst du den anderen weg.«
    Ich dachte, Momo würde diese Ermahnung überhören, doch ich täuschte mich. Er hielt sich daran. Oder es war bloß der Ton seiner
     Mutter, den er verstanden hatte.
    »Mit dem Schinken warst du heute morgen sparsam«, sagte ich nach einer Weile zur Menou. »Es hat mir leid getan, daß sie mit
     leerem Magen weggehen mußten.« Ich wies zu den Gewölben hinauf und fuhr fort: »Wo wir noch so viel vom Geschlachteten haben.«
    »Wir sind sieben«, sagte die Menou und folgte meiner Gebärde mit dem Blick. »Wenn wir mit dem, was da oben hängt, einmal zu
     Ende sind, ist’s nicht sicher, daß wir jemals wieder Schweinefleisch essen. Oder daß wir jemals wieder Wein trinken. Oder
     daß wir jemals eine neue Ernte haben.«
    Ich sah sie an. Sechsundsiebzig Jahre war sie alt, die Menou. Mit hellwachem Verstand hatte sie die Perspektive, Hungers zu
     sterben, ins Auge gefaßt, doch ihr Lebenswille blieb intakt.
    Die Kellertür ging plötzlich auf, Thomas steckte seinen Kopf herein.
    »Emmanuel! Du hast noch Tiere, die am Leben sind!« rief er, sichtlich erregt, und verschwand.
    Ich stand verblüfft auf und fragte mich, ob ich ihn recht verstanden hatte. Auch die Menou erhob sich, sah mich an, als bezweifelte
     sie, Thomas richtig begriffen zu haben, und fragte mich auf patois: »Hat er wirklich gesagt, daß Tiere da sind, die noch leben?«
    »Igen!« (Ich geh hin!) Momo rannte zur Kellertür.
    »Warte doch, warte! Ich sage, du sollst auf mich warten!« rief die Menou und trippelte, so schnell sie konnte, hinter ihm
     her. Sie bot den Anblick einer kleinen alten Maus, so aufgeregt bewegten sich ihre mageren Beinchen hin und her. Momos genagelte
     Stiefel hörte ich schon auf der Treppe schallen. Auch ich begann zu laufen, ich überholte die Menou und erwischte Momo, als
     er gerade über die Zugbrücke lief und den äußeren |105| Burghof erreichte. Von Thomas und den drei anderen keine Spur mehr. Thomas war mich benachrichtigen gekommen und hatte dann
     wohl die anderen auf dem Weg nach Malejac im Laufschritt eingeholt.
    Als wir uns näherten, war ein Gemisch aus Wiehern, Brüllen und Grunzen zu vernehmen, im ganzen recht schwach. Es kam aus der
     Grotte, der

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