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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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daß es uns zuviel Saatgut auffrißt.«
    »Das ist genau das, was ich meinte«, sagte Meyssonnier.
    »Eben«, fuhr ich fort. »Ich habe ein kleines Stück Land in den Rhunes, nicht mehr als fünftausend Quadratmeter, unterhalb
     des Flußarmes nahe am Felsen. Mein Onkel hat es gut dräniert, es ist gesunder Boden. Im letzten Herbst habe ich viel Dünger
     gestreut und ihn gut untergepflügt. Dort sollten wir wenigstens den Versuch machen, nochmals umpflügen und säen. Die fünftausend
     Quadratmeter werden uns nicht zuviel Korn kosten. Und die Rhunes sind in der Nähe, wir könnten auf natürlichem Wege bewässern,
     falls das Frühjahr zu trocken ist.
    Noch etwas«, sagte ich. »Ich befürchte, daß uns zum Pflügen nicht genug Diesel bleibt, wenn wir die Tiere vergraben haben.
     Wir müssen uns einen Pflug bauen (ich sah Meyssonnier und Colin an) und Amarante beibringen, ihn zu ziehen.« (Ich sah auf
     Peyssou, denn er hatte zum Unkrauthacken in seinem Weinberg ein Pferd gehabt.)
    »Was dein Stück Land betrifft«, sagte Peyssou betont nachgiebig, »wäre ich auf das Ergebnis neugierig. Falls du es dir leisten
     kannst, ein wenig von deinem Saatgetreide zu verlieren.«
    Ich sah ihn an.
    »Sag nicht
du
, Peyssou, sag
wir

    »Immerhin«, sagte Peyssou. »Malevil gehört dir.«
    »Nicht doch«, sagte ich kopfschüttelnd, »das ist alles vorbei. Nimm an, ich sterbe morgen an einer Krankheit oder einem Unfall,
     was geschieht dann? Gibt es einen Notar? Nachfolgerechte? Einen Erben? Malevil gehört denen, die jetzt hier leben, fertig.«
    »Ich bin ganz deiner Meinung«, sagte Meyssonnier voll Genugtuung darüber, daß meine Erklärungen endlich einmal mit seinen
     Prinzipien übereinstimmten.
    »Trotzdem«, sagte Peyssou ungläubig.
    Colin sagte nichts, aber er blickte mich mit einem Anflug seines einstigen Lächelns an. Es sah aus, als wollte er sagen: Einverstanden,
     einverstanden, aber was ändert das schon?
    |125| »Also abgemacht?« sagte ich. »Wir bauen den Pflug und säen an den Rhunes, sobald die Tiere verscharrt sind?«
    Sie murmelten beifällig. Ich erhob mich, und die Menou begann mit mißbilligender Miene den Tisch abzuräumen. Mit meiner Erklärung,
     daß Malevil allen gehöre, hatte ich sie mit den anderen auf eine Stufe gestellt und sie der Souveränität und des Ansehens
     beraubt, die ihr, nach mir, als der einzigen Gebieterin hierorts zustanden. Aber im Verlaufe der nächsten Tage kam sie zu
     dem Schluß, die Kollektivierung Malevils könne von meiner Seite nicht mehr als nur eine höfliche Redensart sein, um meinen
     Gästen die Lage zu erleichtern, und sie beruhigte sich wieder.
    Von der Beerdigung der Tiere möchte ich nicht erzählen, sie war zu schrecklich. Die Pferde aus ihren Boxen zu schaffen war
     vielleicht das schwierigste, denn ihre Körper waren gedunsen. Sie ließen sich nicht mehr durch die Türöffnungen ziehen, und
     wir mußten die Wände niederreißen.
    Auch an die Bekleidung mußte gedacht werden, denn Colin, Meyssonnier und Peyssou besaßen nichts als ihre Arbeitsanzüge, in
     denen sie mich am Tage des Ereignisses aufgesucht hatten. Es gelang mir, Meyssonnier mit Hilfe der Garderobe auszustatten,
     die ich vom Onkel aufgehoben hatte. Colin aber gab mir ein Problem auf. Die Menou mußte überredet werden, ihm die Anzüge ihres
     Mannes zur Verfügung zu stellen, die sie – ohne Hoffnung, sie jemals von dem viel größeren Momo abtragen zu lassen – seit
     zwei Jahrzehnten in Naphthalin aufbewahrte. Das war noch immer kein Grund, sie wegzuschenken! Aber nein! Nicht einmal an Colin!
     So mußten wir alle uns über sie hermachen, sie anschreien und ihr drohen, wir würden ihr diese Anzüge aus der Jahrhundertmitte
     mit Gewalt entreißen, bis sie endlich nachgab. Aber dann nicht nur halb. Denn nun schneiderte sie alles für Colins Größe zurecht,
     der noch gute fünf Zentimeter kleiner war als ihr Mann. Das rührte sie. Es muß doch Solidarität zwischen einem kleinen Mann
     und einer kleinen Frau geben, sagte sie zu mir, und so wie du mich hier siehst, Emmanuel, bin ich auch nicht größer als eins
     fünfundvierzig, und selbst das nur, wenn ich mich geradehalte.
    Was Peyssou betraf, war es hoffnungslos. Er war gut einen halben Kopf größer als Meyssonnier und hatte so fürchterlich breite
     Schultern, daß meine Jacken für ihn überhaupt nicht in |126| Frage kamen. Die Vorstellung, eines Tages nackt herumlaufen zu müssen, verursachte unserem armen Riesen große Angst.

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