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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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kommenden Luftzug zu schützen. Wieder bewundere ich seine Gesichtszüge,
     seine griechische Nase, den Saum seiner Lippen, die Kontur seiner Wangen. Ich bemerke, daß er im Schlaf den Ausdruck von Strenge
     verliert. Er hat im Gegenteil etwas Kindliches und Wehrloses an sich. Sein blonder Bart wächst langsam, er rasiert sich nur
     jeden zweiten Tag. Und da er sich heute morgen rasiert hat, findet sich kein Schatten auf seiner Wange. Sie erscheint mir
     glatt und samtig, nahe den Mundwinkeln zeigt sich der Ansatz eines Grübchens, das ich bisher nie bemerkt hatte. Sein blond
     gelocktes Haar, das kurz geschnitten war, als ich ihm damals im Unterholz begegnete, ist gewachsen, seit er in Malevil wohnt,
     und verleiht ihm ein beinahe weibliches Aussehen.
    Mit einem Ruck drehe ich mich in meinem Bett auf die andere Seite, kehre Thomas den Rücken zu und denke, daß ich eines Tages
     die Zimmer werde neu aufteilen müssen, damit es einen Wechsel in der Belegung gibt und Thomas nicht immer in meinem bleibt,
     das ja von allen das bequemste ist. Dabei habe ich ein sonderbares Angst- und Schuldgefühl, für das ich keinen Grund anzugeben
     weiß, das mich aber wach hält. Zwischen verworrenen Gedanken und kurzen Momenten des Eindämmerns kommen mir so beschämende
     und demütigende Traumbilder, daß ich aufstehe, meine Kleider vom Stuhl nehme, mein Zimmer verlasse und mich ein Stockwerk
     tiefer ins Badezimmer begebe. Aber auch dort noch plagen mich die widerlichen und schändlichen Phantasien, bis ich mit dem
     Rasieren fertig bin. Während ich lange unter der Dusche stehe, ist mir, als reinigte ich mich von meinen Träumen.
    Auf meiner Armbanduhr ist es fünf, als ich aus dem Bergfried auf den Hof hinausgehe. Wie an jedem Tag seit dem Ereignis ist
     es kalt und grau. In Malevil bin ich als einziger schon auf den Beinen. Meine Schritte hallen auf dem Pflaster wider. Der
     riesige Bergfried, die Wallmauern und der Wohnbau bedrücken mich mit ihrer Masse. Vor dem Frühstück bleiben mir noch zwei
     lange Stunden des Alleinseins.
    Ich gehe über die Zugbrücke, und von da erreiche ich die äußere Umfassungsmauer und die Maternité. Bel Amour und ihr Fohlen,
     das sich an ihre Flanke lehnt, schlafen im Stehen. Aber sobald ich mit dem Kinn über das Gatter ihrer Box komme, |152| spielen Bel Amours kleine Ohren, öffnet sie die Augen, nimmt sie mich wahr und schnaubt mit einem gedämpften, freundschaftlichen
     Wiehern die Luft aus den Nüstern. Sie macht einen Schritt auf mich zu, das halberwachte Fohlen wankt und taumelt auf seinen
     langen dünnen Beinen vorwärts, bis es am Bauch der Mutter seine Stütze wiedergefunden hat. Bel Amour streckt den Kopf über
     das Gatter und legt ihn, während ich ihr die Schläfe tätschle und das Fohlen betrachte, auf meine Schulter. Ein Tierkind hat,
     wie ein kleiner Mensch, immer etwas Rührendes an sich. Malice hat den gleichen weißen Fleck auf der Stirn und das gleiche
     braunrote Fell wie ihre Mutter und sieht mich mit ihren schönen, unschuldigen Augen erstaunt an. Gern würde ich die Box betreten
     und sie streicheln, doch ich weiß nicht, ob Bel Amour das mag, und so lasse ich es bei meinem Wunsch. Bel Amour legt ihre
     Kinnlade, dann ihre sanften, feuchten Nüstern an meinen Hals und macht wiederum »pff«. Offenbar ist sie glücklich. Sie wird
     von uns verhätschelt, sie ist gut genährt, und sie hat ihr Füllen. Sie weiß nicht, daß es ihr letztes Fohlen ist und daß über
     ihre Gattung, wie über unsere, das Urteil gesprochen ist.
    Der Tag vergeht mit unseren einförmigen Tätigkeiten. Und am Abend, während ich die Ellbogen auf die Bibel und den Kopf in
     die Hände stütze, sehe ich diese Szenen wieder vor mir und verfolge mit wechselnder Aufmerksamkeit das Gespräch über La Roque.
     Das Feuer ist weit niedergebrannt, und die Menou, die in ihrer Kaminecke vor sich hin dämmerte, erhebt sich und gibt damit
     das Zeichen zur Beendigung der abendlichen Runde. Wir tragen die Stühle an den Tisch zurück. Die Menou macht das Feuer mit
     der Zange kunstvoll zurecht, um am nächsten Tag noch Glut zu haben, und während ich mit der geschlossenen Bibel unter dem
     Arm noch herumstehe, mit meinen Gefährten lache und plaudere, habe ich Angst vor der Nacht und gehe in Gedanken wie ein Gefangener
     in seinem Hof im Kreise.
    Ich erinnere mich genau an diesen Abend und an die Angst, die mir der Gedanke an eine weitere schlaflose Nacht bereitete.
     Ich erinnere mich gut daran, denn am

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